Vielfalt ordnen. Das föderale Europa der Habsburgermonarchie (Vormärz bis 1918) by Jana Osterkamp (review)

IF 0.1 0 HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY
Andrei Corbea-Hoisie
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Göttingen: Vandenhoeck &amp; Ruprecht, 2. unveränderte Auflage, 2021. 531 S. <p>Der von Jana Osterkamp gewählte Titel ihres Buches, das innerhalb von wenigen Jahren schon zwei Auflagen erreicht hat, kündigt bereits die Thesen an, die im letzten, unmissverständlich benannten kurzen Kapitel “Ausblick: das föderale Haus Europa” ausführlich formuliert und entwickelt werden. Die alte Weisheit <em>Historia magistra vitae</em> könnte als ideales Motto für ein Werk dienen, das in Bezug auf die derzeitigen Herausforderungen des noch längst nicht abgeschlossenen Prozesses der Einigung Europas vorschlägt, die <em>exempla</em> der Vergangenheit gar nicht für obsolet zu halten. Ganz im Gegenteil, wenn man bedenkt, so die Autorin, dass in dem langen 19. Jahrhundert vom Wiener Kongress bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs Föderationen, neben Imperien und aufkeimenden Nationalstaaten, die Formen europäischer Staatlichkeit geprägt haben. Unter jenen stelle die Habsburgermonarchie laut Jana Osterkamp vielleicht das eklatanteste Beispiel einer “gelebten Föderation” dar, denn im Laufe der wechselnden politischen Umstände seit der Vormärz-Epoche, die von dem wachsenden Bewusstsein begleitet wurden, das Überleben des vom Mittelalter geerbten staatlichen Gebildes hänge von seiner Reformierung ab, wurde diese zu einem durchaus “innovativen Ort des Nachdenkens über Föderalismus”. Ähnlich wie das heutige europäische Konstrukt, das eine “föderale Verfasstheit” aufweist, auch ohne über eine föderale Verfassung zu verfügen, erlebte das mitteleuropäische “Altösterreich” eine bewundernswerte organisatorisch-bürokratische Dynamik in dem vielfältig “kooperativen Zusammenwirken” der stufenweise aufgebauten Teile dieser “konföderativen Union, deren Ordnungsleistung oft übersehen” werde. Darum könnte das Nachdenken darüber, wie auch jenes über die zahlreichen Gründe des endgültigen Scheiterns des Modells, auch <strong>[End Page 130]</strong> die gegenwärtigen Debatten über die nächsten Schritte in der Gestaltung eines “einheitlichen” Europas produktiv befruchten. In der Folge einer über 400-seitigen historisch-juristischen Untersuchung aller Facetten jener komplexen Bauart eines Rechts, das das wirtschaftliche, soziale und politische System des Habsburgerreiches in seiner letzten Existenzphase antrieb und funktionsfähig machte, klingt Jana Osterkamps Schlussfolgerung, dass das “Haus Österreich”, wie es Ingeborg Bachmann zu nennen pflegte, als “Baukasten für Reformentwürfe” und damit als ein “wichtiges Erbe für Europa” gilt, keinesfalls plakativ!</p> <p>Als Inhaberin einer Professur für die “Verflechtungsgeschichte Deutschlands mit dem östlichen Europa” an der Universität Augsburg, befasst sich die studierte Juristin Jana Osterkamp seit langem mit Themen, die verschiedene Aspekte der europäischen Geschichte in verfassungsrechtlicher Perspektive behandeln; ihre Vertrautheit mit der böhmisch-mährischen und der tschechoslowakischen Geschichte hat sie näher an die Problematik des gesamten Zentraleuropas gebracht und damit auch ihr Interesse für die rechtsgeschichtlichen Besonderheiten des habsburgischen Staates geweckt, das in die zur Grundlage des vorliegenden Buches gewordene Habilitationsschrift (an der Universität München) mündete. Ein umfassendes Wissen über die gesamten Regelungen, Institutionen und Akteure des gesetzlichen Mechanismus in der Monarchie auf zentraler und lokaler Ebene, mit all seinen Feinheiten und Partikularismen im “inneren” und “äußeren” Vergleich (d.h. innerhalb und außerhalb Österreichs), zusammen mit einer reichen empirischen Dokumentation, die eine Vielzahl von Gegebenheiten sammelte, werden hier eingesetzt, um der legitimen Versuchung nachzugeben, die etablierten Antworten auf die immer noch brisante Frage über die Gründe des Zusammenbruchs von Habsburg erneut zu überprüfen. Gerade der im Titel des Vorhabens klar behauptete Glaube an die Aktualität der einstigen Bemühungen, verfassungsmäßig ein Zusammenleben des Vielfältigen und Heterogenen an Kulturen, Sprachen und Konfessionen inmitten Europas zu ermöglichen, fordert eine derartige Prüfung. Nicht zufällig beginnt das Buch mit gerade zwei (komplementären) Einführungen: die erste besteht aus einem Kommentar zur relativ bekannten Lithografie von August Strixner aus dem Jahr 1849, in der der junge Kaiser Franz Joseph als souveräner Lenker einer “Barke” auf stürmischen Wellen des Meeres erscheint, in der sich alle Kronländer—allegorisch verkörpert von Frauengestalten—befinden, wobei die Autorin sie mit dem ebenso berühmten Zitat Hofmannsthals von 1917 über <strong>[End Page 131]</strong> Österreich als...</p> </p>","PeriodicalId":40350,"journal":{"name":"Journal of Austrian Studies","volume":"117 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2024-06-04","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal of Austrian Studies","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1353/oas.2024.a929393","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
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Abstract

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  • Vielfalt ordnen. Das föderale Europa der Habsburgermonarchie (Vormärz bis 1918) by Jana Osterkamp
  • Andrei Corbea-Hoisie
Jana Osterkamp, Vielfalt ordnen. Das föderale Europa der Habsburgermonarchie (Vormärz bis 1918). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2. unveränderte Auflage, 2021. 531 S.

Der von Jana Osterkamp gewählte Titel ihres Buches, das innerhalb von wenigen Jahren schon zwei Auflagen erreicht hat, kündigt bereits die Thesen an, die im letzten, unmissverständlich benannten kurzen Kapitel “Ausblick: das föderale Haus Europa” ausführlich formuliert und entwickelt werden. Die alte Weisheit Historia magistra vitae könnte als ideales Motto für ein Werk dienen, das in Bezug auf die derzeitigen Herausforderungen des noch längst nicht abgeschlossenen Prozesses der Einigung Europas vorschlägt, die exempla der Vergangenheit gar nicht für obsolet zu halten. Ganz im Gegenteil, wenn man bedenkt, so die Autorin, dass in dem langen 19. Jahrhundert vom Wiener Kongress bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs Föderationen, neben Imperien und aufkeimenden Nationalstaaten, die Formen europäischer Staatlichkeit geprägt haben. Unter jenen stelle die Habsburgermonarchie laut Jana Osterkamp vielleicht das eklatanteste Beispiel einer “gelebten Föderation” dar, denn im Laufe der wechselnden politischen Umstände seit der Vormärz-Epoche, die von dem wachsenden Bewusstsein begleitet wurden, das Überleben des vom Mittelalter geerbten staatlichen Gebildes hänge von seiner Reformierung ab, wurde diese zu einem durchaus “innovativen Ort des Nachdenkens über Föderalismus”. Ähnlich wie das heutige europäische Konstrukt, das eine “föderale Verfasstheit” aufweist, auch ohne über eine föderale Verfassung zu verfügen, erlebte das mitteleuropäische “Altösterreich” eine bewundernswerte organisatorisch-bürokratische Dynamik in dem vielfältig “kooperativen Zusammenwirken” der stufenweise aufgebauten Teile dieser “konföderativen Union, deren Ordnungsleistung oft übersehen” werde. Darum könnte das Nachdenken darüber, wie auch jenes über die zahlreichen Gründe des endgültigen Scheiterns des Modells, auch [End Page 130] die gegenwärtigen Debatten über die nächsten Schritte in der Gestaltung eines “einheitlichen” Europas produktiv befruchten. In der Folge einer über 400-seitigen historisch-juristischen Untersuchung aller Facetten jener komplexen Bauart eines Rechts, das das wirtschaftliche, soziale und politische System des Habsburgerreiches in seiner letzten Existenzphase antrieb und funktionsfähig machte, klingt Jana Osterkamps Schlussfolgerung, dass das “Haus Österreich”, wie es Ingeborg Bachmann zu nennen pflegte, als “Baukasten für Reformentwürfe” und damit als ein “wichtiges Erbe für Europa” gilt, keinesfalls plakativ!

Als Inhaberin einer Professur für die “Verflechtungsgeschichte Deutschlands mit dem östlichen Europa” an der Universität Augsburg, befasst sich die studierte Juristin Jana Osterkamp seit langem mit Themen, die verschiedene Aspekte der europäischen Geschichte in verfassungsrechtlicher Perspektive behandeln; ihre Vertrautheit mit der böhmisch-mährischen und der tschechoslowakischen Geschichte hat sie näher an die Problematik des gesamten Zentraleuropas gebracht und damit auch ihr Interesse für die rechtsgeschichtlichen Besonderheiten des habsburgischen Staates geweckt, das in die zur Grundlage des vorliegenden Buches gewordene Habilitationsschrift (an der Universität München) mündete. Ein umfassendes Wissen über die gesamten Regelungen, Institutionen und Akteure des gesetzlichen Mechanismus in der Monarchie auf zentraler und lokaler Ebene, mit all seinen Feinheiten und Partikularismen im “inneren” und “äußeren” Vergleich (d.h. innerhalb und außerhalb Österreichs), zusammen mit einer reichen empirischen Dokumentation, die eine Vielzahl von Gegebenheiten sammelte, werden hier eingesetzt, um der legitimen Versuchung nachzugeben, die etablierten Antworten auf die immer noch brisante Frage über die Gründe des Zusammenbruchs von Habsburg erneut zu überprüfen. Gerade der im Titel des Vorhabens klar behauptete Glaube an die Aktualität der einstigen Bemühungen, verfassungsmäßig ein Zusammenleben des Vielfältigen und Heterogenen an Kulturen, Sprachen und Konfessionen inmitten Europas zu ermöglichen, fordert eine derartige Prüfung. Nicht zufällig beginnt das Buch mit gerade zwei (komplementären) Einführungen: die erste besteht aus einem Kommentar zur relativ bekannten Lithografie von August Strixner aus dem Jahr 1849, in der der junge Kaiser Franz Joseph als souveräner Lenker einer “Barke” auf stürmischen Wellen des Meeres erscheint, in der sich alle Kronländer—allegorisch verkörpert von Frauengestalten—befinden, wobei die Autorin sie mit dem ebenso berühmten Zitat Hofmannsthals von 1917 über [End Page 131] Österreich als...

组织多样性。雅娜-奥斯特坎普(Jana Osterkamp)所著的《哈布斯堡君主制的联邦欧洲(伏尔马至 1918 年)》(评论
以下是内容摘录,以代替摘要: 审稿人: Organising diversity: 组织多样性。Das föderale Europa der Habsburgermonarchie (Vormärz bis 1918) by Jana Osterkamp Andrei Corbea-Hoisie Jana Osterkamp, Vielfalt ordnen.哈布斯堡君主制的联邦欧洲(伏尔马至 1918 年)》。哥廷根:531 pp.雅娜-奥斯特坎普(Jana Osterkamp)的这本书在短短几年内已经出版了两版,书名的选择已经宣告了她的论点,这些论点在最后一章 "展望:欧洲联邦大厦 "中得到了详细的阐述和发展。Historia magistra vitae这句古老的格言可以作为这部著作的理想座右铭,这部著作针对当前欧洲统一进程远未完成所面临的挑战,提出不应将过去的典范视为过时。恰恰相反,作者认为,从维也纳会议到第一次世界大战爆发的漫长 19 世纪中,联邦制与帝国制和新兴的民族国家一起,成为欧洲国家形式的特征。亚娜-奥斯特坎普(Jana Osterkamp)认为,哈布斯堡君主国也许是 "活联邦 "的最突出例子,因为自沃尔梅兹时代以来,伴随着政治环境的变化,人们越来越意识到中世纪遗留下来的国家结构的存亡取决于改革,因此哈布斯堡君主国成为一个彻底 "创新联邦制思维的地方"。中欧的 "老奥地利 "与今天的欧洲结构相似,即使没有联邦宪法,也有一部 "联邦宪法",在这个 "邦联的各个部分逐步建立起来的多样化'合作互动'中,经历了令人钦佩的组织和官僚动态,其监管绩效往往被忽视"。因此,反思这一点以及该模式最终失败的众多原因,也可以 [第 130 页完] 有益于当前关于 "统一 "欧洲下一步发展的讨论。亚娜-奥斯特坎普(Jana Osterkamp)用长达 400 页的篇幅从历史和法律角度研究了哈布斯堡帝国最后阶段的经济、社会和政治体制的复杂法律结构的方方面面,并认为 "奥地利之家"(英格博格-巴赫曼(Ingeborg Bachmann)曾这样称呼它)是 "改革设计的基石",因而是 "留给欧洲的重要遗产"!作为奥格斯堡大学 "德国与东欧关系史 "的教授,学法律出身的亚娜-奥斯特坎普(Jana Osterkamp)长期以来一直从宪法角度研究欧洲历史的方方面面;她对波希米亚-摩拉维亚和捷克斯洛伐克历史的熟悉使她更接近整个中欧的问题,从而也唤起了她对哈布斯堡国家特殊法律历史特征的兴趣,这也促成了她(在慕尼黑大学)撰写的适应训练论文,该论文构成了本书的基础。本书全面介绍了中央和地方君主制法律机制的全部法规、机构和参与者,以及其在 "内部 "和 "外部"(即奥地利境内和境外)比较中的所有复杂性和特殊性,并通过丰富的实证文献收集了大量情况,从而在合理的诱惑下,重新审视了关于哈布斯堡王朝崩溃原因这一仍然具有爆炸性的问题的既定答案。该项目标题中明确指出,正是因为相信以前为使不同的异质文化、语言和教派在欧洲中部以宪法形式共同生活而做出的努力具有现实意义,才需要进行这样的审查。本书开头只有两个(互补的)导言,这绝非巧合:第一个导言是对奥古斯特-斯特里克斯特纳 1849 年创作的一幅较为著名的版画的评论,年轻的弗朗茨-约瑟夫皇帝在这幅版画中扮演着一艘在惊涛骇浪中航行的 "驳船 "的最高舵手,所有的王室领地(寓意为女性形象)都在这幅版画中,作者将这幅版画与霍夫曼施塔尔 1917 年创作的同样著名的关于[尾页 131]奥地利作为一个......的......的...
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来源期刊
Journal of Austrian Studies
Journal of Austrian Studies HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY-
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期刊介绍: The Journal of Austrian Studies is an interdisciplinary quarterly that publishes scholarly articles and book reviews on all aspects of the history and culture of Austria, Austro-Hungary, and the Habsburg territory. It is the flagship publication of the Austrian Studies Association and contains contributions in German and English from the world''s premiere scholars in the field of Austrian studies. The journal highlights scholarly work that draws on innovative methodologies and new ways of viewing Austrian history and culture. Although the journal was renamed in 2012 to reflect the increasing scope and diversity of its scholarship, it has a long lineage dating back over a half century as Modern Austrian Literature and, prior to that, The Journal of the International Arthur Schnitzler Research Association.
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GB/T 7714-2015
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