{"title":"Stefan Zweig. Zwiesprache des Ich mit der Welt hrsg. Eva Plank (review)","authors":"Walter Tschacher","doi":"10.1353/oas.2024.a921912","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<span><span>In lieu of</span> an abstract, here is a brief excerpt of the content:</span>\n<p> <span>Reviewed by:</span> <ul> <li><!-- html_title --> <em>Stefan Zweig. Zwiesprache des Ich mit der Welt</em> hrsg. Eva Plank <!-- /html_title --></li> <li> Walter Tschacher </li> </ul> Eva Plank, Hrsg., <em>Stefan Zweig. Zwiesprache des Ich mit der Welt</em>. Schriften zu jüdischer Literatur, Kunst, Musik und Politik. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2023. 575 S. <p>Der vorliegende Band enthält 170 Texte von Stefan Zweig, die vor allem seine publizistische Tätigkeit dokumentieren. Die zwischen 1900 und 1940 verfassten Texte erschienen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, vorwiegend in Zeitungen und Zeitschriften, oder wurden bisher nicht veröffentlicht. Manche Beiträge erstrecken sich über mehrere Seiten, andere wiederum bestehen aus nur zwei oder drei Sätzen. Wie bereits im Buchtitel angedeutet, wurden die Artikel unter dem Gesichtspunkt jüdischer Themen ausgewählt. Im Anhang werden alle in den Texten genannten Personen mit biographischen Angaben aufgelistet. In den meisten Fällen existierte bisher nur der Text der Erstveröffentlichung, d.h. die hier wieder zugänglichen Arbeiten dürften den meisten heutigen Lesern und Leserinnen unbekannt sein. Das Buch besteht aus zwei Hauptabschnitten: 1. Literatur, Kunst, Musik, Sigmund Freud, Lyrik, Autobiographisches; und 2. Geschichte, Politik, Zeitgeschehen.</p> <p>Der umfangreichste Abschnitt ist der Literatur gewidmet. Es handelt sich hier um Rezensionen, Autorenporträts, Nachrufe, Einleitungen zu Werken, etc. Die einzelnen Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge behandelt, wären sie dagegen chronologisch aufgelistet worden, hätte man eine kurze Literaturgeschichte meist jüdischer Autoren vor sich. Von einigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Herzl, Joseph Roth, Rathenau, Döblin, Wassermann, Werfel) geht es um unbekannte und oft jüngere Schriftsteller, die Zweig einem größeren Publikum bekannt machen will. Umfangreichere Autorenporträts befassen sich mit Personen (z.B., Herzl Wassermann), die Zweig persönlich gut kannte und Einfluss auf seine Arbeit hatten.</p> <p>Ein separates Kapitel befasst sich ausschließlich mit Sigmund Freud. Beide Männer standen seit 1908 im Briefkontakt, der sich zu einer—wenn auch nicht immer ungetrübten—Freundschaft entwickelte, die bis zu Freuds <strong>[End Page 128]</strong> Tod 1939 dauerte. Zweig war fasziniert von Freuds psychoanalytischen Arbeiten und erkannte deren Bedeutung für seine Zeit: “[Die] Gedanken, die kühnen und oftmals genialen Deutungen, mit denen Sigmund Freud unsere Gegenwart beschenkt und herausgefordert hat, sind als Tat nicht mehr zu bestreiten und zu widerlegen. Sie sind lebendig und haben Leben erzeugt. Weit über Deutschland, über Europa, über unseren Kontinent hinaus gibt es kein psychologisches Denken mehr ohne oder gegen sie” (298). Zwar idealisiert Zweig sowohl die Psychoanalyse als auch Freud, die Person, aber er tritt andererseits auch nicht als unterwürfiger Freudanhänger auf, sondern ist immer noch imstande, kritische Distanz zu wahren. Freud ist Vorbild, “an dem wir uns formen und steigern könnten” (335). Die Offenheit und Ehrlichkeit, die Freud gegenüber anderen zeigt, wendet Zweig nun im Umgang mit Freud und seiner Psychoanalyse an. So kritisiert er etwa Freuds Meinung über die sogenannte “Laienanalyse”, die das Praktizieren von Psychoanalyse auch “durch nichtgraduierte Ärzte” erlaubt. “So wenig die Kenntnis der Verstechnik einen Dichter, so wenig schafft das emsigste Studium der Psychotechnik einen wirklichen Psychologen, und keinen anderen als ihm allein, dem geborenen, einfühlungsfähigen Seelendurchschauer, dürfte jemals Eingriff in dieses feinste, subtilste und empfindlichste aller Organe verstattet sein” (310). Von hier ist nur ein kurzer Schritt zu der Behauptung, zum Psychoanalytiker—wie zu einem Künstler—müsse man geboren sein. Er betreibe ein Handwerk, das sich nicht erlernen lasse. In den vorliegenden Texten bleibt Zweigs Kritik an der Psychoanalyse ziemlich allgemein. Substanziellere Kritik findet sich in anderen Publikationen, auf die hier natürlich nicht eingegangen werden kann. In den hier versammelten Texten ist es Zweigs Anliegen, populärwissenschaftliche Aufklärungsarbeit in Sachen Freud und Psychoanalyse zu leisten.</p> <p>Die sehr kurz gehaltenen Abschnitte über Kunst und Musik sind Elogen einerseits auf Teresa Feodorowna Ries, Ephraim Moses Lilien und Steiner-Prag, und andererseits auf Mahler, Bruno Walter und Toscanini.</p> <p>Der längere letzte Teil des Buches befasst sich mit politischen und geschichtlichen Themen. Es gehört zu Zweigs pazifistischer Überzeugung, zwar gegen den Krieg, aber “niemals gegen Deutschland [zu] sprechen. Ich würde niemals gegen ein Land sprechen. Ich mache keine Unterschiede” (405). Als Pazifist ist er aber kein passiver Beobachter politischer Ereignisse. 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Abstract
In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:
Reviewed by:
Stefan Zweig. Zwiesprache des Ich mit der Welt hrsg. Eva Plank
Walter Tschacher
Eva Plank, Hrsg., Stefan Zweig. Zwiesprache des Ich mit der Welt. Schriften zu jüdischer Literatur, Kunst, Musik und Politik. Würzburg: Königshausen und Neumann, 2023. 575 S.
Der vorliegende Band enthält 170 Texte von Stefan Zweig, die vor allem seine publizistische Tätigkeit dokumentieren. Die zwischen 1900 und 1940 verfassten Texte erschienen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, vorwiegend in Zeitungen und Zeitschriften, oder wurden bisher nicht veröffentlicht. Manche Beiträge erstrecken sich über mehrere Seiten, andere wiederum bestehen aus nur zwei oder drei Sätzen. Wie bereits im Buchtitel angedeutet, wurden die Artikel unter dem Gesichtspunkt jüdischer Themen ausgewählt. Im Anhang werden alle in den Texten genannten Personen mit biographischen Angaben aufgelistet. In den meisten Fällen existierte bisher nur der Text der Erstveröffentlichung, d.h. die hier wieder zugänglichen Arbeiten dürften den meisten heutigen Lesern und Leserinnen unbekannt sein. Das Buch besteht aus zwei Hauptabschnitten: 1. Literatur, Kunst, Musik, Sigmund Freud, Lyrik, Autobiographisches; und 2. Geschichte, Politik, Zeitgeschehen.
Der umfangreichste Abschnitt ist der Literatur gewidmet. Es handelt sich hier um Rezensionen, Autorenporträts, Nachrufe, Einleitungen zu Werken, etc. Die einzelnen Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge behandelt, wären sie dagegen chronologisch aufgelistet worden, hätte man eine kurze Literaturgeschichte meist jüdischer Autoren vor sich. Von einigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Herzl, Joseph Roth, Rathenau, Döblin, Wassermann, Werfel) geht es um unbekannte und oft jüngere Schriftsteller, die Zweig einem größeren Publikum bekannt machen will. Umfangreichere Autorenporträts befassen sich mit Personen (z.B., Herzl Wassermann), die Zweig persönlich gut kannte und Einfluss auf seine Arbeit hatten.
Ein separates Kapitel befasst sich ausschließlich mit Sigmund Freud. Beide Männer standen seit 1908 im Briefkontakt, der sich zu einer—wenn auch nicht immer ungetrübten—Freundschaft entwickelte, die bis zu Freuds [End Page 128] Tod 1939 dauerte. Zweig war fasziniert von Freuds psychoanalytischen Arbeiten und erkannte deren Bedeutung für seine Zeit: “[Die] Gedanken, die kühnen und oftmals genialen Deutungen, mit denen Sigmund Freud unsere Gegenwart beschenkt und herausgefordert hat, sind als Tat nicht mehr zu bestreiten und zu widerlegen. Sie sind lebendig und haben Leben erzeugt. Weit über Deutschland, über Europa, über unseren Kontinent hinaus gibt es kein psychologisches Denken mehr ohne oder gegen sie” (298). Zwar idealisiert Zweig sowohl die Psychoanalyse als auch Freud, die Person, aber er tritt andererseits auch nicht als unterwürfiger Freudanhänger auf, sondern ist immer noch imstande, kritische Distanz zu wahren. Freud ist Vorbild, “an dem wir uns formen und steigern könnten” (335). Die Offenheit und Ehrlichkeit, die Freud gegenüber anderen zeigt, wendet Zweig nun im Umgang mit Freud und seiner Psychoanalyse an. So kritisiert er etwa Freuds Meinung über die sogenannte “Laienanalyse”, die das Praktizieren von Psychoanalyse auch “durch nichtgraduierte Ärzte” erlaubt. “So wenig die Kenntnis der Verstechnik einen Dichter, so wenig schafft das emsigste Studium der Psychotechnik einen wirklichen Psychologen, und keinen anderen als ihm allein, dem geborenen, einfühlungsfähigen Seelendurchschauer, dürfte jemals Eingriff in dieses feinste, subtilste und empfindlichste aller Organe verstattet sein” (310). Von hier ist nur ein kurzer Schritt zu der Behauptung, zum Psychoanalytiker—wie zu einem Künstler—müsse man geboren sein. Er betreibe ein Handwerk, das sich nicht erlernen lasse. In den vorliegenden Texten bleibt Zweigs Kritik an der Psychoanalyse ziemlich allgemein. Substanziellere Kritik findet sich in anderen Publikationen, auf die hier natürlich nicht eingegangen werden kann. In den hier versammelten Texten ist es Zweigs Anliegen, populärwissenschaftliche Aufklärungsarbeit in Sachen Freud und Psychoanalyse zu leisten.
Die sehr kurz gehaltenen Abschnitte über Kunst und Musik sind Elogen einerseits auf Teresa Feodorowna Ries, Ephraim Moses Lilien und Steiner-Prag, und andererseits auf Mahler, Bruno Walter und Toscanini.
Der längere letzte Teil des Buches befasst sich mit politischen und geschichtlichen Themen. Es gehört zu Zweigs pazifistischer Überzeugung, zwar gegen den Krieg, aber “niemals gegen Deutschland [zu] sprechen. Ich würde niemals gegen ein Land sprechen. Ich mache keine Unterschiede” (405). Als Pazifist ist er aber kein passiver Beobachter politischer Ereignisse. Er erkennt sehr früh die Gefahr, der Juden in...
以下是内容摘录,以代替摘要:审稿人:Stefan Zweig: Stefan Zweig.Zwiesprache des Ich mit der Welt ed. Eva Plank Walter Tschacher Eva Plank 编辑。我与世界的对话。关于犹太文学、艺术、音乐和政治的著作。维尔茨堡:Königshausen and Neumann,2023 年。575 页。本卷收录了斯特凡-茨威格的 170 篇文章,主要记录了他的新闻活动。这些文章写于 1900 年至 1940 年间,除少数例外,主要发表在报纸和杂志上,或尚未出版。有些文章长达数页,有些则只有两三句话。正如书名所示,这些文章都是以犹太人为主题选取的。附录中列出了文中提到的所有人物的详细履历。在大多数情况下,迄今为止只有首次出版的文本,也就是说,这里再次提供的作品可能不为今天的大多数读者所知。本书由两大部分组成:1.文学、艺术、音乐、西格蒙德-弗洛伊德、诗歌、自传;2.历史、政治、时事。内容最丰富的部分是文学。其中包括评论、作家肖像、讣告、作品简介等。单个作家按字母顺序排列,而如果按时间顺序排列,我们将看到一部主要是犹太作家的简短文学史。除了少数例外(如赫茨尔、约瑟夫-罗斯、拉特瑙、多布林、瓦塞曼、韦费尔),本书的重点是不知名的作家,而且往往是茨威格希望让更多读者了解的年轻作家。更多的作家肖像则涉及茨威格本人熟知并对其创作产生过影响的人(如赫茨尔-瓦瑟曼)。另有一章专门介绍西格蒙德-弗洛伊德。两人从1908年开始通信,后来发展成为友谊--尽管并不总是毫无遮掩--一直持续到1939年弗洛伊德[第128页完]去世。茨威格对弗洛伊德的精神分析著作非常着迷,并认识到其对他所处时代的意义:"弗洛伊德的思想、大胆且往往独创性的诠释给我们带来了天赋,并对我们的时代提出了挑战,这些思想、大胆且往往独创性的诠释再也没有争议或反驳。它们是有生命的,并且已经产生了生命。在德国之外,在欧洲之外,在我们的大陆之外,不再有任何没有或反对它们的心理学思想"(298)。尽管茨威格将精神分析和弗洛伊德个人都理想化了,但他并不是弗洛伊德的顺从追随者,而是仍然能够保持批判的距离。弗洛伊德是一个榜样,"我们可以通过他来塑造和完善自己"(335)。现在,茨威格将弗洛伊德对他人表现出的开诚布公运用到了他与弗洛伊德及其精神分析的交往中。例如,他批评了弗洛伊德对所谓 "非专业分析 "的看法,即允许 "非专业医生 "进行精神分析。"正如诗歌技巧的知识不能造就一个诗人一样,最勤奋地研究心理技巧也不能造就一个真正的心理学家,只有他,天生的、富有同情心的灵魂探索者,才能被允许介入这个最微妙、最细腻、最敏感的器官"(310)。从这里开始,只需要很短的一步,就可以断言一个人必须生来就是心理分析师--就像艺术家一样。他从事的是一门无法学习的手艺。在这些文字中,茨威格对精神分析的批评仍然相当笼统。更多实质性的批评可以在其他出版物中找到,当然这里无法讨论。在这里收集的文章中,茨威格的目的是提供有关弗洛伊德和精神分析的科普信息。关于艺术和音乐的章节非常简短,一方面是对特雷莎-费奥多罗娜-里斯、埃弗拉伊姆-摩西-里连和斯坦纳-普拉格的讴歌,另一方面是对马勒、布鲁诺-瓦尔特和托斯卡尼尼的讴歌。该书最后较长的部分涉及政治和历史主题。茨威格的和平主义信念之一就是反对战争,但 "绝不反对德国。我从不反对一个国家。我不加区分"(405)。然而,作为一名和平主义者,他并不是政治事件的被动观察者。他很早就意识到犹太人在战争中的危险。
期刊介绍:
The Journal of Austrian Studies is an interdisciplinary quarterly that publishes scholarly articles and book reviews on all aspects of the history and culture of Austria, Austro-Hungary, and the Habsburg territory. It is the flagship publication of the Austrian Studies Association and contains contributions in German and English from the world''s premiere scholars in the field of Austrian studies. The journal highlights scholarly work that draws on innovative methodologies and new ways of viewing Austrian history and culture. Although the journal was renamed in 2012 to reflect the increasing scope and diversity of its scholarship, it has a long lineage dating back over a half century as Modern Austrian Literature and, prior to that, The Journal of the International Arthur Schnitzler Research Association.