Auswirkungen impliziter Plausibilitätserwartungen über das Nachtatverhalten von Vergewaltigungsopfern auf die Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsbeurteilung durch Laien
Simone Jacobs, Julia Schnepf, Merle Wachendörfer, Aileen Oeberst
{"title":"Auswirkungen impliziter Plausibilitätserwartungen über das Nachtatverhalten von Vergewaltigungsopfern auf die Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsbeurteilung durch Laien","authors":"Simone Jacobs, Julia Schnepf, Merle Wachendörfer, Aileen Oeberst","doi":"10.5771/2365-1083-2023-4-468","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Bei Sexualstraftaten gibt es häufig eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. Der Glaubhaftigkeit der Aussage bzw. der Glaubwürdigkeit der Opferzeug:innen kommt daher ein besonderes Gewicht zu. Das Ziel dieser Studie war es, den Einfluss von Verhaltensweisen eines Opfers sexualisierter Gewalt nach der Tat auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sowie seine Glaubwürdigkeit zu untersuchen. Es wurde vermutet, dass Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit höher eingeschätzt werden, wenn das Opfer plausible im Vergleich zu unplausiblen Verhaltensweisen zeigt. In Studie 1 bewerteten Teilnehmer:innen zunächst die Plausibilität vorgegebener Verhaltensweisen einer Frau nach einer Vergewaltigung durch einen Bekannten. In Studie 2 lasen andere Teilnehmer:innen in einem Between-Subjects-Vignettendesign zufällig eine von vier Vignetten, die sich hinsichtlich der Plausibilität der berichteten Nachtatverhaltensweisen des Opfers unterschieden (hohe Plausibilität vs. niedrige Plausibilität). Die experimentelle Manipulation der Plausibilität basierte auf den Ergebnissen von Studie 1 und erwies sich als erfolgreich. Allerdings hatte sie weder einen signifikanten Einfluss auf die wahrgenommene Glaubhaftigkeit noch auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit. Es zeigte sich jedoch, dass die Glaubhaftigkeits- und Glaubwürdigkeitsbeurteilungen der Teilnehmer:innen direkt mit ihren individuellen Plausibilitätsbeurteilungen des berichteten Nachtatverhaltens zusammenhingen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass implizite Theorien über das Nachtatverhalten von Opfern und somit subjektive Bewertungen der Plausibilität von Verhaltensweisen entscheidend für die Einschätzung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Opfers und seiner Glaubwürdigkeit sind. Wir diskutieren die Implikationen für Forschung und Praxis.","PeriodicalId":500893,"journal":{"name":"Rechtspsychologie","volume":"16 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2023-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Rechtspsychologie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/2365-1083-2023-4-468","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
Bei Sexualstraftaten gibt es häufig eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. Der Glaubhaftigkeit der Aussage bzw. der Glaubwürdigkeit der Opferzeug:innen kommt daher ein besonderes Gewicht zu. Das Ziel dieser Studie war es, den Einfluss von Verhaltensweisen eines Opfers sexualisierter Gewalt nach der Tat auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sowie seine Glaubwürdigkeit zu untersuchen. Es wurde vermutet, dass Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit höher eingeschätzt werden, wenn das Opfer plausible im Vergleich zu unplausiblen Verhaltensweisen zeigt. In Studie 1 bewerteten Teilnehmer:innen zunächst die Plausibilität vorgegebener Verhaltensweisen einer Frau nach einer Vergewaltigung durch einen Bekannten. In Studie 2 lasen andere Teilnehmer:innen in einem Between-Subjects-Vignettendesign zufällig eine von vier Vignetten, die sich hinsichtlich der Plausibilität der berichteten Nachtatverhaltensweisen des Opfers unterschieden (hohe Plausibilität vs. niedrige Plausibilität). Die experimentelle Manipulation der Plausibilität basierte auf den Ergebnissen von Studie 1 und erwies sich als erfolgreich. Allerdings hatte sie weder einen signifikanten Einfluss auf die wahrgenommene Glaubhaftigkeit noch auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit. Es zeigte sich jedoch, dass die Glaubhaftigkeits- und Glaubwürdigkeitsbeurteilungen der Teilnehmer:innen direkt mit ihren individuellen Plausibilitätsbeurteilungen des berichteten Nachtatverhaltens zusammenhingen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass implizite Theorien über das Nachtatverhalten von Opfern und somit subjektive Bewertungen der Plausibilität von Verhaltensweisen entscheidend für die Einschätzung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Opfers und seiner Glaubwürdigkeit sind. Wir diskutieren die Implikationen für Forschung und Praxis.