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Abstract
Psychiatrie und Psychotherapie sind besonders stark von der herrschenden Kultur abhängig. Im letzten halben Jahrhundert, in der der Autor als Universitätsprofessor, Klinikchef und Therapeut in eigener Praxis tätig war, haben sich Psychiatrie und Psychotherapie vielfältig verändert. Unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Wandels und der damit zusammenhängenden Veränderungen des menschlichen Selbstverständnisses wird auf den Wandel der psychischen Krankheitsformen eingegangen. Schon heute lässt sich eine Tendenz zur Verdinglichung der Gefühle und eine verstärkte Beschäftigung mit dem Selbstwert feststellen. So sind Schuldgefühle bei schwer depressiv erkrankten Menschen heute seltener geworden. Gleichzeitig ringen depressive Menschen häufiger mit Kränkungen und verletztem Selbstwert. Auch das «Selbst» wird hauptsächlich reflexiv wie ein Objekt verstanden. Präreflexive, gleichsam leib-seelische Anteile erhalten auch in Psychotherapien wenig Aufmerksamkeit. Diese Tendenz könnte durch die Digitalisierung mit Big Data noch verstärkt werden. Umso wichtiger ist eine Auseinandersetzung mit der Zukunft von Psychiatrie und Psychotherapie auch in Kenntnis ihrer Geschichte.