{"title":"6 Der „Quakerly approach“ an seinen Grenzen – Das AFSC und Nazi-Deutschland 1933–1939","authors":"Nazi-Deutschland, Rufus Jones","doi":"10.1515/9783110675788-008","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Rufus Jones war sich sicher: Er hatte die Herzen der Gestapo-Männer berührt. In einem 1947 veröffentlichten Artikel für den American Friend blickte er auf eine Reise zurück, die ihn neun Jahre zuvor, wenige Wochen nach den Novemberpogromen in Nazi-Deutschland, bis ins Reichssicherheitshauptamt, die Zentrale der Geheimpolizei, und mithin mitten ins Herz des Terrors geführt hatte. Als Teil einer kleinen AFSC-Delegation war er nach Deutschland gereist, um die deutsche Regierung vom Plan einer Quäkerhilfsaktion zugunsten der verfolgten jüdischen Bevölkerung zu überzeugen. Man sei gekommen, so hieß es in dem Memorandum, das man an Gestapo-Chef Reinhard Heydrich richtete, nicht um zu kritisieren, zu verurteilen oder „to push ourselves in“, sondern um zu „inquire in the most friendly manner whether there is anything we can do to promote life and human welfare and to relieve suffering“. Im Rückblick verstand Jones gut, dass die mündlichen Zusicherungen, die er bei diesem Treffen erhielt, wertlos waren und dass das Treffen im Kern ohne Erfolg geblieben war. Er wusste, was in den folgenden Jahren in Europa geschehen war und welche Rolle die Männer, mit denen er in jenem Dezember gesprochen hatte, dabei gespielt hatten, und er wusste, dass einige seiner Gesprächspartner aus den Reihen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, darunter die Vorsitzende der Ausreiseabteilung, Cora Berliner, in den Vernichtungslagern ihr Leben verloren hatten. Und dennoch hoffte und glaubte Jones, bei seinen Gestapo-Gesprächspartnern etwas Positives ausgelöst zu haben:","PeriodicalId":246013,"journal":{"name":"The Politics of Service","volume":"29 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-11-22","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"The Politics of Service","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110675788-008","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
Rufus Jones war sich sicher: Er hatte die Herzen der Gestapo-Männer berührt. In einem 1947 veröffentlichten Artikel für den American Friend blickte er auf eine Reise zurück, die ihn neun Jahre zuvor, wenige Wochen nach den Novemberpogromen in Nazi-Deutschland, bis ins Reichssicherheitshauptamt, die Zentrale der Geheimpolizei, und mithin mitten ins Herz des Terrors geführt hatte. Als Teil einer kleinen AFSC-Delegation war er nach Deutschland gereist, um die deutsche Regierung vom Plan einer Quäkerhilfsaktion zugunsten der verfolgten jüdischen Bevölkerung zu überzeugen. Man sei gekommen, so hieß es in dem Memorandum, das man an Gestapo-Chef Reinhard Heydrich richtete, nicht um zu kritisieren, zu verurteilen oder „to push ourselves in“, sondern um zu „inquire in the most friendly manner whether there is anything we can do to promote life and human welfare and to relieve suffering“. Im Rückblick verstand Jones gut, dass die mündlichen Zusicherungen, die er bei diesem Treffen erhielt, wertlos waren und dass das Treffen im Kern ohne Erfolg geblieben war. Er wusste, was in den folgenden Jahren in Europa geschehen war und welche Rolle die Männer, mit denen er in jenem Dezember gesprochen hatte, dabei gespielt hatten, und er wusste, dass einige seiner Gesprächspartner aus den Reihen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, darunter die Vorsitzende der Ausreiseabteilung, Cora Berliner, in den Vernichtungslagern ihr Leben verloren hatten. Und dennoch hoffte und glaubte Jones, bei seinen Gestapo-Gesprächspartnern etwas Positives ausgelöst zu haben: