{"title":"Selbstbestimmt sterben – Ethische Kriterien zu Sterbehilfe, Patientenautonomie und Patientenverfügungen","authors":"S. Ernst","doi":"10.5771/9783845289663-77","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Der technische Fortschritt in der Medizin hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur seine segensreichen, sondern auch seine problematischen Seiten gezeigt: Mit der Begrenzung der Infektionskrankheiten konnte zwar die durchschnittliche Lebenserwartung im Verlauf des 20. Jahrhunderts erheblich gesteigert werden, zugleich traten damit verstärkt Alterskrankheiten und Altersgebrechen in den Vordergrund, die sich nicht mehr kurativ heilen, sondern nur noch symptomatisch behandeln lassen; zwar bietet die Intensivmedizin die Möglichkeit, Menschen auch noch in solchen Situationen am Leben zu erhalten, in denen sie ohne diese Möglichkeiten sonst gestorben wären – etwa bei Organausfall –, zugleich stellt sich immer öfter die Frage, wo die Grenze des noch Sinnvollen lebenserhaltender Maßnahmen liegt. Viele Menschen haben deshalb Angst davor, in Situationen hineinzugeraten, in denen sie ihre Selbstkontrolle, Selbstbestimmung und Würde verlieren. Sie fürchten, am Ende ihres Lebens einer sinnlosen und ihr Leiden nur noch verlängernden Anwendung medizinischer Maßnahmen ausgesetzt zu sein, anstatt in Frieden sterben zu dürfen, sie haben Angst vor unerträglichen Schmerzen und Leiden, aber auch vor dem Alleinsein und vor dem Mangel an menschlicher Zuwendung und menschlichem Beistand. So besteht zunehmend der Wunsch, den Zeitpunkt des eigenen Todes und die Weise des eigenen Sterbens selbst bestimmen zu können. Damit stellt sich nicht nur die Frage nach der passiven, sondern auch nach der aktiven Sterbehilfe und des assistierten Suizids sowie nach deren ethischer Bewertung. Vor allem aber stellt sich die noch näher liegende Frage, wie sich in Situationen, in denen Menschen nicht mehr ihre Einwilligungsfähigkeit besitzen, dennoch ihr eigener und selbstbestimmter Wille angemessen zur Geltung bringen und durchsetzen lässt. In den folgenden Überlegungen geht es darum, im Blick auf diese Fragen – aus theologischethischer Sicht – Kriterien für eine ethische Bewertung zu entwickeln.","PeriodicalId":431766,"journal":{"name":"Advance Care Planning / Behandlung im Voraus Planen: Konzept zur Förderung einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung","volume":"134 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Advance Care Planning / Behandlung im Voraus Planen: Konzept zur Förderung einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783845289663-77","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Der technische Fortschritt in der Medizin hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur seine segensreichen, sondern auch seine problematischen Seiten gezeigt: Mit der Begrenzung der Infektionskrankheiten konnte zwar die durchschnittliche Lebenserwartung im Verlauf des 20. Jahrhunderts erheblich gesteigert werden, zugleich traten damit verstärkt Alterskrankheiten und Altersgebrechen in den Vordergrund, die sich nicht mehr kurativ heilen, sondern nur noch symptomatisch behandeln lassen; zwar bietet die Intensivmedizin die Möglichkeit, Menschen auch noch in solchen Situationen am Leben zu erhalten, in denen sie ohne diese Möglichkeiten sonst gestorben wären – etwa bei Organausfall –, zugleich stellt sich immer öfter die Frage, wo die Grenze des noch Sinnvollen lebenserhaltender Maßnahmen liegt. Viele Menschen haben deshalb Angst davor, in Situationen hineinzugeraten, in denen sie ihre Selbstkontrolle, Selbstbestimmung und Würde verlieren. Sie fürchten, am Ende ihres Lebens einer sinnlosen und ihr Leiden nur noch verlängernden Anwendung medizinischer Maßnahmen ausgesetzt zu sein, anstatt in Frieden sterben zu dürfen, sie haben Angst vor unerträglichen Schmerzen und Leiden, aber auch vor dem Alleinsein und vor dem Mangel an menschlicher Zuwendung und menschlichem Beistand. So besteht zunehmend der Wunsch, den Zeitpunkt des eigenen Todes und die Weise des eigenen Sterbens selbst bestimmen zu können. Damit stellt sich nicht nur die Frage nach der passiven, sondern auch nach der aktiven Sterbehilfe und des assistierten Suizids sowie nach deren ethischer Bewertung. Vor allem aber stellt sich die noch näher liegende Frage, wie sich in Situationen, in denen Menschen nicht mehr ihre Einwilligungsfähigkeit besitzen, dennoch ihr eigener und selbstbestimmter Wille angemessen zur Geltung bringen und durchsetzen lässt. In den folgenden Überlegungen geht es darum, im Blick auf diese Fragen – aus theologischethischer Sicht – Kriterien für eine ethische Bewertung zu entwickeln.