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Abstract
Der Begriff des Fragments gehört zum Kern dessen, was wir unter frühromantischer Ästhetik verstehen.1 Über diese literaturgeschichtliche Dimension von ›Fragment‹ als einem von den Romantikern vielfach verwendeten und bis heute attraktiven Schlagwort hinaus ist ›Fragment‹ ein wichtiger Terminus der Literaturwissenschaft selbst, etwa auf den Gebieten der Editionsphilologie oder der Texttheorie.2 Wie hängen diese beiden Anwendungsweisen des Fragment-Begriffs – als literaturgeschichtlicher Gegenstand einerseits und als literaturtheoretischer Terminus andererseits – miteinander zusammen? Meine Vermutung ist, dass sie gegenwärtig und schon seit einigen Jahrzehnten allzu häufig auf unzulässige Weise miteinander konfundiert werden. Das liegt, so meine weitere Hypothese, an der Vorbildfunktion, welche der frühromantischen Ästhetik seit den 1980er Jahren, also seit dem Abklingen der Faszination der gesellschaftskritischen und sozialgeschichtlichen Paradigmen, durch die Germanistik zugeschrieben wird.3 Die Frühromantik, wie sie sich in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts konstituiert hat und 1798 bis 1800 in der Zeitschrift ›Athenaeum‹ der Brüder Schlegel ihr programmatisches Organ fand, gilt als Beginn der kulturellen Moderne im deutschen, ja im ganzen europäischen Kulturraum – so die wohl am offensivsten von dem Literaturwissenschaftler Silvio Vietta vertretene These.4 Die von den Protagonistinnen und Protagonisten der frühromantischen Generation wahrgenommenen Probleme und die von ihnen ausgetragenen Konflikte – Zerfall der geschlossenen Weltbilder und Gesellschaftssysteme, Suche nach einer neuen, für die Gegenwart verbindlichen