{"title":"I. Die verwaltete Religion des laizistischen Staates","authors":"L. Tezcan","doi":"10.14361/9783839401064-001","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mit dem Begriff der verwalteten Religion wird eine bestimmte Erscheinungsform des Islam in der türkischen Gesellschaft bezeichnet. Der Begriff beschränkt sich auf das institutionelle Verhältnis zwischen Religion und staatlicher Politik. Es handelt sich hiermit um die Variante des Islam, die von der im Amt für Religiöse Angelegenheiten organisierten Orthodoxie repräsentiert, unter bestimmten Auflagen in den Staatsapparat eingebunden und hiermit kontrolliert und zugleich gefördert wird. Aus der in diesem Kapitel vorzunehmenden Analyse werden folglich andere organisatorische Erscheinungsformen des Islam wie die Partei (Refah und ihre Nachfolgeparteien) und Ordensgemeinschaften ausgeschlossen. Die in diesen Organisationen zum Tragen kommenden Strömungen politischer Islam und islamische Mystik fallen aus der Analyse heraus, obgleich sie sowohl ideell als auch personell gewissermaßen in die Orthodoxie hineinspielen. Der analytische Wert des Begriffs weist allerdings über die Bedeutung der spezifischen Organisation der Orthodoxie hinaus. Dieser besteht vor allem darin, daß mit dem Gegenstand der verwalteten Religion eine Schnittstelle zwischen dem türkischen Modernisierungsbzw. Säkularisierungsprozeß (d.h. Übernahme westlicher Ideen, Rationalitätsformen und Institutionen), der Kopplung des Übernommenen an die institutionellen Praktiken aus dem Traditionsbestand (faktisch säkulare Quellen aus der osmanischen politischen Geschichte) und der Brechung/Übersetzung des Übernommenen (inhaltliche Religionspolitik des säkularen Staates) mit all ihren immanenten Problemen markiert wird. Unten wird zunächst einmal auf die historischen Praktiken und institutionellen Bestände eingegangen, welche bei der Errichtung der säkularen politischen Ordnung in der Türkei begünstigend gewirkt haben. Ohne die Berücksichtigung dieser historischen Bedingungen wird man die relativ erfolgreiche Etablierung der Säkularität in der türkischen Gesellschaft nicht würdigend erfassen können.","PeriodicalId":437254,"journal":{"name":"Religiöse Strategien der »machbaren« Gesellschaft","volume":"262 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2003-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Religiöse Strategien der »machbaren« Gesellschaft","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839401064-001","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
Mit dem Begriff der verwalteten Religion wird eine bestimmte Erscheinungsform des Islam in der türkischen Gesellschaft bezeichnet. Der Begriff beschränkt sich auf das institutionelle Verhältnis zwischen Religion und staatlicher Politik. Es handelt sich hiermit um die Variante des Islam, die von der im Amt für Religiöse Angelegenheiten organisierten Orthodoxie repräsentiert, unter bestimmten Auflagen in den Staatsapparat eingebunden und hiermit kontrolliert und zugleich gefördert wird. Aus der in diesem Kapitel vorzunehmenden Analyse werden folglich andere organisatorische Erscheinungsformen des Islam wie die Partei (Refah und ihre Nachfolgeparteien) und Ordensgemeinschaften ausgeschlossen. Die in diesen Organisationen zum Tragen kommenden Strömungen politischer Islam und islamische Mystik fallen aus der Analyse heraus, obgleich sie sowohl ideell als auch personell gewissermaßen in die Orthodoxie hineinspielen. Der analytische Wert des Begriffs weist allerdings über die Bedeutung der spezifischen Organisation der Orthodoxie hinaus. Dieser besteht vor allem darin, daß mit dem Gegenstand der verwalteten Religion eine Schnittstelle zwischen dem türkischen Modernisierungsbzw. Säkularisierungsprozeß (d.h. Übernahme westlicher Ideen, Rationalitätsformen und Institutionen), der Kopplung des Übernommenen an die institutionellen Praktiken aus dem Traditionsbestand (faktisch säkulare Quellen aus der osmanischen politischen Geschichte) und der Brechung/Übersetzung des Übernommenen (inhaltliche Religionspolitik des säkularen Staates) mit all ihren immanenten Problemen markiert wird. Unten wird zunächst einmal auf die historischen Praktiken und institutionellen Bestände eingegangen, welche bei der Errichtung der säkularen politischen Ordnung in der Türkei begünstigend gewirkt haben. Ohne die Berücksichtigung dieser historischen Bedingungen wird man die relativ erfolgreiche Etablierung der Säkularität in der türkischen Gesellschaft nicht würdigend erfassen können.