{"title":"Subjektivität, Emotion und (nicht) rationale Commons","authors":"A. Nightingale","doi":"10.14361/9783839432457-050","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Wann immer ich erzähle, dass ich zur Küstenfischerei aus Commons-Perspektive arbeite, ernte ich abfällige Reaktionen. Viele gehen nach wie vor davon aus, dass es sich bei Commons um eine unabwendbare Umweltkatastrophe handelt oder – wenn sie doch eine vage Vorstellung von Gemeingütern haben – dass alle Fischerinnen und Fischer von Gier getrieben werden. Dagegen legen meine Erfahrungen an der Westküste Schottlands nahe, dass die gemeinsame Bewirtschaftung von Fischgründen nicht in erster Linie an der individuellen Nutzenmaximierung orientiert ist, sondern zunächst einmal mit Subjektivität zu tun hat und auf anderen Verhaltenslogiken. Als ich anfing, mir über Vorstellungen von Subjektivität und Emotionen in Bezug auf die Fischerei Gedanken zu machen, hielten mich die meisten für verrückt. Mit Fischerinnen und Fischern über ihre Gefühle reden? Doch wie sich bald herausstellen sollte, war ich auf der richtigen Fährte. Ein Fürsprecher der Fischer sagte mir lachend, »Menschen sind bestimmt nicht rational, vor allem Fischer nicht. Ihre Entscheidungen beruhen auf anderen Faktoren.«1 Es faszinierte mich zu ergründen, worum es sich bei diesen »anderen Faktoren« handeln könnte. Mein Forschungsvorhaben beginnt mit der herausragenden Arbeit von Elinor Ostrom und anderen über Design-Prinzipien für Commons.2 Diese konzentrieren sich auf die institutionellen Regeln und Normen, die für eine effektive Bewirtschaftung kollektiver Ressourcen erforderlich sind. Theoretisch folgen die Arbeiten zu den Design-Prinzipien jedoch einem Rational-Choice-Ansatz, der kaum geeignet ist, »nicht-rationale« Verhaltensweisen zu verstehen. Wenn wir diesem Verständnis der Design-Prinzipien Aspekte wie Gender, Verwandtschaftsverhältnisse, emotionale Verbundenheit mit Ressourcen, Landschaften und dem Meer lediglich hinzufügen, kommen wir nicht dahin zu fragen, wie Design-Prinzipien überhaupt entstehen. Deshalb meine ich, dass wir erforschen müssen, wie sich Institutionen, Ressourcen und Gesellschaften zugleich und aufeinander bezogen herausbilden. Wenn wir so vorgehen wird sich zeigen, wie das »Design« eines Commons ein Produkt der Interaktionen, Geschichten und Beziehungen ist, das kontinuierlich","PeriodicalId":234662,"journal":{"name":"Die Welt der Commons","volume":"23 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2015-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Die Welt der Commons","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839432457-050","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Wann immer ich erzähle, dass ich zur Küstenfischerei aus Commons-Perspektive arbeite, ernte ich abfällige Reaktionen. Viele gehen nach wie vor davon aus, dass es sich bei Commons um eine unabwendbare Umweltkatastrophe handelt oder – wenn sie doch eine vage Vorstellung von Gemeingütern haben – dass alle Fischerinnen und Fischer von Gier getrieben werden. Dagegen legen meine Erfahrungen an der Westküste Schottlands nahe, dass die gemeinsame Bewirtschaftung von Fischgründen nicht in erster Linie an der individuellen Nutzenmaximierung orientiert ist, sondern zunächst einmal mit Subjektivität zu tun hat und auf anderen Verhaltenslogiken. Als ich anfing, mir über Vorstellungen von Subjektivität und Emotionen in Bezug auf die Fischerei Gedanken zu machen, hielten mich die meisten für verrückt. Mit Fischerinnen und Fischern über ihre Gefühle reden? Doch wie sich bald herausstellen sollte, war ich auf der richtigen Fährte. Ein Fürsprecher der Fischer sagte mir lachend, »Menschen sind bestimmt nicht rational, vor allem Fischer nicht. Ihre Entscheidungen beruhen auf anderen Faktoren.«1 Es faszinierte mich zu ergründen, worum es sich bei diesen »anderen Faktoren« handeln könnte. Mein Forschungsvorhaben beginnt mit der herausragenden Arbeit von Elinor Ostrom und anderen über Design-Prinzipien für Commons.2 Diese konzentrieren sich auf die institutionellen Regeln und Normen, die für eine effektive Bewirtschaftung kollektiver Ressourcen erforderlich sind. Theoretisch folgen die Arbeiten zu den Design-Prinzipien jedoch einem Rational-Choice-Ansatz, der kaum geeignet ist, »nicht-rationale« Verhaltensweisen zu verstehen. Wenn wir diesem Verständnis der Design-Prinzipien Aspekte wie Gender, Verwandtschaftsverhältnisse, emotionale Verbundenheit mit Ressourcen, Landschaften und dem Meer lediglich hinzufügen, kommen wir nicht dahin zu fragen, wie Design-Prinzipien überhaupt entstehen. Deshalb meine ich, dass wir erforschen müssen, wie sich Institutionen, Ressourcen und Gesellschaften zugleich und aufeinander bezogen herausbilden. Wenn wir so vorgehen wird sich zeigen, wie das »Design« eines Commons ein Produkt der Interaktionen, Geschichten und Beziehungen ist, das kontinuierlich