Ein Land, in dem sich das Süße mit dem Bitteren vermischt. Irland als Objekt der Sehnsucht in der deutschen Literatur am Beispiel des Irischen Tagebuchs von Heinrich Böll
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Abstract
Das 1957 erschienene Irische Tagebuch von Heinrich Böll prägte in der Vorstellung der deutschen Leser ein Bild von Irland als einer geheimnisvollen Insel, auf der Glück und Melancholie Hand in Hand gehen - ein Bild, das bis heute Bestand hat. Das Werk, eine Sammlung loser Kurzgeschichten, die auf den Reiseerfahrungen des Autors beruhen, zeigt die Grüne Insel als ein Land der Kontraste und widersprüchlichen Gefühle, in dem sich die Vergangenheit mit der Gegenwart vermischt und in dem die mythische Landschaft und die scheinbare Einfachheit des Lebens einen tieferen Grund verbergen. Das Gleiche gilt für das Tagebuch selbst, das zwischen Beschreibungen malerischer Landschaften und irischer Bräuche auch Themen wie die allgegenwärtige Armut, die unvermeidliche Auswanderung, die Perspektivlosigkeit und die fast fanatische Religiosität, die Irland plagen, einfließen lässt. Diese Extreme lösten bei Heinrich Böll jedoch eine Sehnsucht nach der Ursprünglichkeit und Aufrichtigkeit der Grünen Insel aus, deren Fehlen er sehr stark spürte. Mit der Veröffentlichung des Irischen Tagebuchs wurde die persönliche Sehnsucht eines Mannes zu einem Massenwunsch der deutschen Gesellschaft, ein Land der „Fehler und Wahrheiten“ zu sehen und zu erleben. Mehr als 60 Jahre nach seinem Erscheinen inspiriert Heinrich Bölls Werk noch immer Generationen von Lesern zu Reisen mit dem Versprechen, eine Sehnsucht nach Irland zu stillen.