{"title":"Die Poetik der Schilde: Form und Funktion von Ekphraseis in den Posthomerica des Quintus Smyrnaeus","authors":"M. Baumbach","doi":"10.1515/9783110942507.107","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Ein Lektüreeinstieg in medias res ist für den Rezipienten besonders reizvoll: Vom ersten Moment ist er an der Genese von Bedeutung beteiligt, er muss sich ohne auktoriale Hilfe in der literarischen Fiktion zurechtfinden und wird aufgefordert, die mögliche Vorgeschichte der Erzählung über eine Einordnung in das literarische Umfeld des Textes – sei es gattungs-, motivoder zeitgeschichtlich – zu rekonstruieren. Bereits in die Erzählung eingestiegen, tritt der Rezipient daher zugleich in Distanz zu einem Text, dessen unmittelbarer Beginn ihn ebenso stark miterlebend in die Erzählung hineinzieht, wie er seine Aussenperspektive betont. Dieses Zusammentreffen von Nähe und Distanz bleibt für die Posthomerica jedoch nicht situativ auf die anfängliche Interaktion von Text und Leser1 beschränkt, sondern es hat poetologische Implikationen für die ganze Lektüre: Quintus’ Epos tritt zu seinem inhaltlichen und gattungsmässigen Vorbild, den homerischen Epen, in eine ähnlich spannungsreiche Verbindung von Nähe und Distanz, wie sie der Leser zum Text empfindet, und ermöglicht dem Rezipienten auf diese Weise, Rückschlüsse auf die Genese, auf das Selbstverständnis und auf die Wirkungsintention der Posthomerica zu ziehen: Ein v.a. an Homer gebildeter Rezipient soll die Posthomerica von Beginn an auf der Folie der homerischen Epen lesen, Momente / Passagen von Nähe und Distanz erkennen und daran die poetischen Eigenarten und Leistungen des vermeintlichen Homerepigonen2 Quintus Smyrnaeus messen. Reizvoll sind dabei nicht nur die Passagen, in denen der Autor auf Distanz zu seinem Vorbild geht, um in agonaler Manier das Neue seiner Dichtung zu betonen, sondern zugleich die gesuchten sprachlichstilistischen und inhaltlichen Parallelen zu Homer, die das Neue ebenso vorbereiten, wie sie den Anspruch der Posthomerica untermauern, ‚homerisch‘ zu sein.","PeriodicalId":106436,"journal":{"name":"Quintus Smyrnaeus: Transforming Homer in Second Sophistic Epic","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2007-01-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"11","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Quintus Smyrnaeus: Transforming Homer in Second Sophistic Epic","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110942507.107","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Ein Lektüreeinstieg in medias res ist für den Rezipienten besonders reizvoll: Vom ersten Moment ist er an der Genese von Bedeutung beteiligt, er muss sich ohne auktoriale Hilfe in der literarischen Fiktion zurechtfinden und wird aufgefordert, die mögliche Vorgeschichte der Erzählung über eine Einordnung in das literarische Umfeld des Textes – sei es gattungs-, motivoder zeitgeschichtlich – zu rekonstruieren. Bereits in die Erzählung eingestiegen, tritt der Rezipient daher zugleich in Distanz zu einem Text, dessen unmittelbarer Beginn ihn ebenso stark miterlebend in die Erzählung hineinzieht, wie er seine Aussenperspektive betont. Dieses Zusammentreffen von Nähe und Distanz bleibt für die Posthomerica jedoch nicht situativ auf die anfängliche Interaktion von Text und Leser1 beschränkt, sondern es hat poetologische Implikationen für die ganze Lektüre: Quintus’ Epos tritt zu seinem inhaltlichen und gattungsmässigen Vorbild, den homerischen Epen, in eine ähnlich spannungsreiche Verbindung von Nähe und Distanz, wie sie der Leser zum Text empfindet, und ermöglicht dem Rezipienten auf diese Weise, Rückschlüsse auf die Genese, auf das Selbstverständnis und auf die Wirkungsintention der Posthomerica zu ziehen: Ein v.a. an Homer gebildeter Rezipient soll die Posthomerica von Beginn an auf der Folie der homerischen Epen lesen, Momente / Passagen von Nähe und Distanz erkennen und daran die poetischen Eigenarten und Leistungen des vermeintlichen Homerepigonen2 Quintus Smyrnaeus messen. Reizvoll sind dabei nicht nur die Passagen, in denen der Autor auf Distanz zu seinem Vorbild geht, um in agonaler Manier das Neue seiner Dichtung zu betonen, sondern zugleich die gesuchten sprachlichstilistischen und inhaltlichen Parallelen zu Homer, die das Neue ebenso vorbereiten, wie sie den Anspruch der Posthomerica untermauern, ‚homerisch‘ zu sein.