{"title":"Das Leben einer Geisha","authors":"P. Ackermann","doi":"10.14361/9783839432303-005","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Frau Funaoka wurde als Yamaoka Naka 1907 als Tochter eines Gemüsehändlers in Monzen Nakachô in Fukagawa, einem alten Stadtviertel von Tokyo, geboren. Meine Mutter, erzählt sie, machte gerade Gemüse ein, als sie mich gebar. Da man dazu viel Wasser braucht, war Mutter's Körper kalt, und als ich herauskam, war ich ein kaltes Kind. Vater verbrauchte sein Geld zum Spielen. Mutter hielt das nicht aus, und als ich 7 Monate alt war, verliess sie das Haus. Mich gab sie einem Verwandten, dem Hafenarbeiter Funaoka. Als ich 3 war wurde dessen Frau geistesverwirrt; Stiefvater Funaoka arbeitete sich krank und starb dann 1915 an Vitaminmangel. Jetzt war ich alleine, und als einzige Ueberlebende Oberhaupt der Funaoka-Familie. Ich kam bei einem Verwandten von Stiefvater unter, bis 1917 mich meine leibliche Mutter wieder aufsuchte. Sie besass einen feinen, altstädtischen Sinn für Eleganz. Als Magd in einem Restaurant hatte sie einen Kunden namens Kasahara geheiratet. Der hatte eine Metzgerei und ein grosses Haus, trank und verspielte alles. Ich war nun Schulmädchen und erbrachte recht gute Leistungen. Doch dann erkrankte Mutter und konnte sich nach einer schweren und misslungenen Operation nicht mehr erheben. So brachte Kasahara sofort eine junge Geliebte ins Haus. Mutter blieb im hintersten Zimmer isoliert. Sie starb als ich 13 war, und ich ging in eine Glühbirnen-Fabrik arbeiten. Dann nahmen mich Kasahara und seine Geliebte mit nach Yokohama, wo er eine Grossmetzgerei errichten wollte. Doch alles war erst angedacht als sich 1923 ein schreckliches Erdbeben ereignete. Aus den Gebäuden hingen Leichen, unter den eingestürzten Brücken lagen Leichen, im Fluss schwammen Leichen. Kasahara's Arbeitsplatz lag in Schutt und Asche. Ich musste in ein Restaurant arbeiten gehen. Der Besitzer war der Mafia (yakuza)-Chef des Ômori-Bezirks, aber ein guter und rechtschaffener Mann. Doch da ich nicht genug verdiente, nahm mich Kasahara ins Freudenviertel von Yokohama, um mich dort zu verkaufen.","PeriodicalId":369195,"journal":{"name":"Arenen der Ästhetischen Bildung","volume":"2017 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2015-01-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Arenen der Ästhetischen Bildung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839432303-005","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Frau Funaoka wurde als Yamaoka Naka 1907 als Tochter eines Gemüsehändlers in Monzen Nakachô in Fukagawa, einem alten Stadtviertel von Tokyo, geboren. Meine Mutter, erzählt sie, machte gerade Gemüse ein, als sie mich gebar. Da man dazu viel Wasser braucht, war Mutter's Körper kalt, und als ich herauskam, war ich ein kaltes Kind. Vater verbrauchte sein Geld zum Spielen. Mutter hielt das nicht aus, und als ich 7 Monate alt war, verliess sie das Haus. Mich gab sie einem Verwandten, dem Hafenarbeiter Funaoka. Als ich 3 war wurde dessen Frau geistesverwirrt; Stiefvater Funaoka arbeitete sich krank und starb dann 1915 an Vitaminmangel. Jetzt war ich alleine, und als einzige Ueberlebende Oberhaupt der Funaoka-Familie. Ich kam bei einem Verwandten von Stiefvater unter, bis 1917 mich meine leibliche Mutter wieder aufsuchte. Sie besass einen feinen, altstädtischen Sinn für Eleganz. Als Magd in einem Restaurant hatte sie einen Kunden namens Kasahara geheiratet. Der hatte eine Metzgerei und ein grosses Haus, trank und verspielte alles. Ich war nun Schulmädchen und erbrachte recht gute Leistungen. Doch dann erkrankte Mutter und konnte sich nach einer schweren und misslungenen Operation nicht mehr erheben. So brachte Kasahara sofort eine junge Geliebte ins Haus. Mutter blieb im hintersten Zimmer isoliert. Sie starb als ich 13 war, und ich ging in eine Glühbirnen-Fabrik arbeiten. Dann nahmen mich Kasahara und seine Geliebte mit nach Yokohama, wo er eine Grossmetzgerei errichten wollte. Doch alles war erst angedacht als sich 1923 ein schreckliches Erdbeben ereignete. Aus den Gebäuden hingen Leichen, unter den eingestürzten Brücken lagen Leichen, im Fluss schwammen Leichen. Kasahara's Arbeitsplatz lag in Schutt und Asche. Ich musste in ein Restaurant arbeiten gehen. Der Besitzer war der Mafia (yakuza)-Chef des Ômori-Bezirks, aber ein guter und rechtschaffener Mann. Doch da ich nicht genug verdiente, nahm mich Kasahara ins Freudenviertel von Yokohama, um mich dort zu verkaufen.