{"title":"Mobile Körper als Spiegel des Selbst bei Julya Rabinowich und Olga Grjasnowa","authors":"Montserrat Bascoy Lamelas","doi":"10.1515/YEJLS-2018-0007","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"„Die Emigration ist ein langwieriger Prozess, der widersprüchlich, nämlich abrupt, beginnt, wie der Ausbruch einer Krankheit oder die Zeugung eines Kindes. Der Emigrant bricht auf, als Hans im Glück in die Welt zu ziehen, und landet in einem ganz anderen Märchen“ (Rabinowich 2011, 45). Mit diesen Sätzen beschreibt Julya Rabinowichs Protagonistin Mischka aus dem Roman Spaltkopf (2008) mit einem ironischen Ton, worum es sich bei der Emigration handelt: es ist eine komplizierte, traumatische Erfahrung. In diesem Text erzählt Mischka, die aus einer russisch-jüdischen Künstlerfamilie stammt, ihre Lebensgeschichte als Migrantenkind. Ihre Eltern entscheiden zusammen mit der Großmutter, dass sie aus Furcht vor Antisemitismus von St. Petersburg nach Österreich umziehen müssen.1 Sowohl die Kindheitserinnerungen aus der Heimatstadt als auch die Problematik der Migrationserfahrung – die u. a. Ursache von Konflikten mit Familienmitgliedern ist, welche im Roman ausführlich thematisiert werden – sind Gegenstand der Reflexion der Hauptfigur über die Konstruktion der eigenen Identität. Interessant in diesem Text ist außerdem, dass es zwei Erzählstimmen gibt: die Ich-Erzählerin und die auktoriale Stimme des Spaltkopfs, eine mythisch-fantastische Figur, die einen Überblick über die Familienproblematik verschafft, deren Ursprung in der Verheimlichung der jüdischen Abstammung der Großmutter liegt. Im Roman Spaltkopf werden nicht nur die Folgen der Migration für die Identitätskonstruktion der Protagonistin thematisiert. Die Hauptfigur kommentiert verschiedene „Migrationsbewegungen“ im Sinne von geographischen und nicht-geographischen Grenzüberschreitungen, womit neue „Räume eröffnet werden“ (Horst 2009, 76). Gleichzeitig haben diese Grenzüberschreitungen beim Identitätsfindungsprozess der Protagonistin oft einen destabilisierenden Effekt. In dieser Hinsicht berichtet sie über die körperlichen und innerlichen Veränderungen des komplizierten Übergangs von der Kindheit in die Pubertät sowie über das Mutterwerden, die für sie neben der Emigration zwei wichtige","PeriodicalId":265278,"journal":{"name":"Yearbook for European Jewish Literature Studies","volume":"25 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2018-10-22","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Yearbook for European Jewish Literature Studies","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/YEJLS-2018-0007","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
„Die Emigration ist ein langwieriger Prozess, der widersprüchlich, nämlich abrupt, beginnt, wie der Ausbruch einer Krankheit oder die Zeugung eines Kindes. Der Emigrant bricht auf, als Hans im Glück in die Welt zu ziehen, und landet in einem ganz anderen Märchen“ (Rabinowich 2011, 45). Mit diesen Sätzen beschreibt Julya Rabinowichs Protagonistin Mischka aus dem Roman Spaltkopf (2008) mit einem ironischen Ton, worum es sich bei der Emigration handelt: es ist eine komplizierte, traumatische Erfahrung. In diesem Text erzählt Mischka, die aus einer russisch-jüdischen Künstlerfamilie stammt, ihre Lebensgeschichte als Migrantenkind. Ihre Eltern entscheiden zusammen mit der Großmutter, dass sie aus Furcht vor Antisemitismus von St. Petersburg nach Österreich umziehen müssen.1 Sowohl die Kindheitserinnerungen aus der Heimatstadt als auch die Problematik der Migrationserfahrung – die u. a. Ursache von Konflikten mit Familienmitgliedern ist, welche im Roman ausführlich thematisiert werden – sind Gegenstand der Reflexion der Hauptfigur über die Konstruktion der eigenen Identität. Interessant in diesem Text ist außerdem, dass es zwei Erzählstimmen gibt: die Ich-Erzählerin und die auktoriale Stimme des Spaltkopfs, eine mythisch-fantastische Figur, die einen Überblick über die Familienproblematik verschafft, deren Ursprung in der Verheimlichung der jüdischen Abstammung der Großmutter liegt. Im Roman Spaltkopf werden nicht nur die Folgen der Migration für die Identitätskonstruktion der Protagonistin thematisiert. Die Hauptfigur kommentiert verschiedene „Migrationsbewegungen“ im Sinne von geographischen und nicht-geographischen Grenzüberschreitungen, womit neue „Räume eröffnet werden“ (Horst 2009, 76). Gleichzeitig haben diese Grenzüberschreitungen beim Identitätsfindungsprozess der Protagonistin oft einen destabilisierenden Effekt. In dieser Hinsicht berichtet sie über die körperlichen und innerlichen Veränderungen des komplizierten Übergangs von der Kindheit in die Pubertät sowie über das Mutterwerden, die für sie neben der Emigration zwei wichtige