Ego-Dokumente als Quellen historischer Bildungsforschung Zur Rekonstruktion von Bildungsbiographien ehemaliger weiblicher Heimkinder der Fürsorgeregion Tirol und Vorarlberg
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Abstract
Zusammenfassung Welche Moglichkeiten und Herausforderungen halten Ego-Dokumente fur Historische BildungsforscherInnen bereit? Als Winfried Schulze den Begriff Ego-Dokument in den 1990er Jahren in die deutschsprachige Geschichtswissenschaft einbrachte und eine weite Definition desselben vorschlug, erntete er vielfache Kritik: Zum einen sei der Begriff des Selbstzeugnisses mit seiner Fokussierung auf explizit autobiographische Quellen dem des Ego-Dokuments vorzuziehen. Zum anderen erschwere die um unfreiwillig und zwangsweise entstandene Quellen erweiterte Definition Schulzes die historische Arbeit und fuhre zudem zu Fehlerwartungen bezuglich des in den Quellen anzutreffenden „Egos“. Der vorliegende Beitrag argumentiert dem gegenuber, dass das von Schulze vorgestellte Konzept des Ego-Dokuments als heuristische Linse dienen kann, um hochst unterschiedliche Quellen, in denen Spuren historischer Ichs zu erwarten sind, ordnen und naher in den Blick nehmen zu konnen. Dies trifft insbesondere fur Untersuchungen deprivilegierter oder unter Bedingungen des Zwangs lebender Bevolkerungsgruppen zu. Anhand des Quellenbestandes zur historischen Fursorgeerziehung der beiden osterreichischen Bundeslander Tirol und Vorarlberg geht der Beitrag zunachst der Frage nach, wie und in welchen Quellensorten befursorgte Kinder selbst sprechen, um sodann bildungsbiographisch relevante Informationen von Madchen und jungen Frauen herauszufiltern, die Ende der 1950er und in den beginnenden 1960er Jahren in einem geschlossenen Tiroler Erziehungsheim untergebracht waren. Die in der Forschungsdiskussion rund um den Begriff des Ego-Dokuments eingemahnten methodischen Pramissen sensibilisieren im Umgang mit Quellen historischer Ichs, deren Analyse zu einer vielschichtigen Rekonstruktion von Vergangenheit beitragen kann. ----- Bibliographie: Leitner, Ulrich: Ego-Dokumente als Quellen historischer Bildungsforschung. Zur Rekonstruktion von Bildungsbiographien ehemaliger weiblicher Heimkinder der Fursorgeregion Tirol und Vorarlberg, BIOS, 2-2016, S. 253-265. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.08