{"title":"Intuitionen als Gründe? Das Problem der intuitiven Rechtfertigung","authors":"Cyrill Mamin","doi":"10.30965/9783957437464_005","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Ist es statthaft auf die Frage »Woher weißt du, dass du existierst?« zu antworten: »Weil ich die entsprechende Intuition habe«? Bei dieser Frage geht es um die epistemische Rechtfertigung durch Intuition.181 Ist Intuition dazu geeignet, sich der Wahrheit anzunähern und Irrtum zu vermeiden?182 Wer dies verneint, ohne im Sinne eines starken Skeptizismus die Möglichkeit epistemischer Rechtfertigung überhaupt negieren zu wollen, nimmt die Position ein, wonach epistemische Rechtfertigung nur auf diskursivem Weg möglich ist. In Bezug auf das Cartesische Beispiel würde somit die Rechtfertigung den Prämissen eines deduktiven Arguments entsprechen: »Ich bin ein denkendes Wesen, alle denkenden Wesen existieren, also existiere ich.« Falls epistemische Rechtfertigung nur auf diskursivem Weg erfolgen kann, hat die Intuition in epistemologischer Hinsicht keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung. Der Intuitionsbegriff würde lediglich einen Denkstil oder eine Technik bezeichnen, etwa eine schnelle Art des Schlussfolgerns, und keine besondere Erkenntnisart.183 Dies steht jedoch nicht in Einklang mit dem verbreiteten Verständnis, wonach Intuitionen rechtfertigende Kraft haben. So sind wir in vielen Beispielen dazu bereit, Intuitionen als Gründe anzuerkennen. Hier ein Beispiel für Rechtfertigung durch Intuition: Athletinnen und Athleten haben oft sehr gute Intuitionen bezüglich der Ausübung ihres Sports. Man denke beispielsweise an eine Golfspielerin, die intuitiv das jeweils beste Eisen für den nächsten Schlag wählt. ›Intuitiv‹ kann hier zweierlei bedeuten:","PeriodicalId":130095,"journal":{"name":"Intuition und Erkenntnis","volume":"9 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-01-27","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Intuition und Erkenntnis","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.30965/9783957437464_005","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Ist es statthaft auf die Frage »Woher weißt du, dass du existierst?« zu antworten: »Weil ich die entsprechende Intuition habe«? Bei dieser Frage geht es um die epistemische Rechtfertigung durch Intuition.181 Ist Intuition dazu geeignet, sich der Wahrheit anzunähern und Irrtum zu vermeiden?182 Wer dies verneint, ohne im Sinne eines starken Skeptizismus die Möglichkeit epistemischer Rechtfertigung überhaupt negieren zu wollen, nimmt die Position ein, wonach epistemische Rechtfertigung nur auf diskursivem Weg möglich ist. In Bezug auf das Cartesische Beispiel würde somit die Rechtfertigung den Prämissen eines deduktiven Arguments entsprechen: »Ich bin ein denkendes Wesen, alle denkenden Wesen existieren, also existiere ich.« Falls epistemische Rechtfertigung nur auf diskursivem Weg erfolgen kann, hat die Intuition in epistemologischer Hinsicht keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung. Der Intuitionsbegriff würde lediglich einen Denkstil oder eine Technik bezeichnen, etwa eine schnelle Art des Schlussfolgerns, und keine besondere Erkenntnisart.183 Dies steht jedoch nicht in Einklang mit dem verbreiteten Verständnis, wonach Intuitionen rechtfertigende Kraft haben. So sind wir in vielen Beispielen dazu bereit, Intuitionen als Gründe anzuerkennen. Hier ein Beispiel für Rechtfertigung durch Intuition: Athletinnen und Athleten haben oft sehr gute Intuitionen bezüglich der Ausübung ihres Sports. Man denke beispielsweise an eine Golfspielerin, die intuitiv das jeweils beste Eisen für den nächsten Schlag wählt. ›Intuitiv‹ kann hier zweierlei bedeuten: