H. Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Véronique Sina, J. Thon
{"title":"Zur Einführung: Ästhetik des Gemachten","authors":"H. Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Véronique Sina, J. Thon","doi":"10.1515/9783110538724-001","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"In dieser Einführung zum Sammelband Ästhetik des Gemachten: Interdisziplinäre Beiträge zur Animationsund Comicforschung fragen die Herausgeber_innen nach produktiven Schnittmengen zwischen Animationsund Comicforschung mit Blick auf die je spezifische Qualität, Materialität und Ästhetik von Animation und Comic. Zur Medienästhetik von Animation und Comic Animation und Comic weisen in ihren Ästhetiken offenkundige Parallelen auf, denen jedoch bislang in der jeweils einschlägigen Forschung kaum angemessene Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Beide basieren auf künstlerischen Praktiken, die unter Einsatz spezifischer Techniken Bilder generieren, welche wiederum diese Techniken ihrer Entstehung in einer besonderen Art und Weise mit-ausstellen. So verweisen die gezeichneten Linien des Comics oder des Cartoons auf den Akt des Zeichnens selbst, die Knetfiguren im Stop-Motion-Animationsfilm auf den Akt ihrer händischen (Ver-)Formung oder die hyperrealistischen, überhöhten Figuren des Superheld_innen-Comics und VFX-Kinos auf ihren Status als Artefakte. Animation und Comic erscheinen dabei – im Vergleich etwa zu Fotografie oder Realfilm – als grafische, ‚handgemachte‘ Medienformen, die die Künst|| Dr. Hans-Joachim Backe, IT University of Copenhagen, Center for Computer Games Research, Rued Langgaards Vej 7, 2300 Copenhagen, E-Mail: hanj@itu.dk Dr. des. Julia Eckel, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medienwissenschaft, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, E-Mail: julia.eckel@ruhr-uni-bochum.de Dr. Erwin Feyersinger, Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Medienwissenschaft, Wilhelmstr. 50, 72074 Tübingen, E-Mail: erwin.feyersinger@uni-tuebingen.de Dr. Véronique Sina, Universität zu Köln, Institut für Medienkultur und Theater, Meister-Ekkehart-Str. 11, 50937 Köln, E-Mail: veronique.sina@uni-koeln.de Dr. Jan-Noël Thon, University of Nottingham, Department of Cultural, Media and Visual Studies, Trent Building, University Park, Nottingham NG7 2RD, E-Mail: jan-noel.thon@nottingham.ac.uk 2 | Hans-Joachim Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Véronique Sina, Jan-Noël Thon lichkeit ihrer Entstehung tendenziell stärker offenlegen und dadurch besonders eindrücklich reflektieren. Diese Thematisierung der eigenen Gemachtheit bildet den Hauptgegenstand des vorliegenden Bandes, in dessen Rahmen die Parallelen, Schnittstellen und Unterschiede herausgearbeitet werden, die sich im Kontext von Animationsund Comicforschung im Hinblick auf die analytische, ästhetische und methodische Erfassung ihrer jeweiligen Gegenstände ergeben. Wie lässt sich also die spezifische Qualität, Materialität und Ästhetik von Animation und Comic wissenschaftlich erfassen? Wie gehen Comicforscher_innen und Animationsforscher_innen aus unterschiedlichen Disziplinen mit dieser besonderen Beschaffenheit ihrer Gegenstände um? Welche Themen und Konzepte werden aktuell innerhalb der Forschungsfelder im Hinblick auf die genannte Fragestellung bearbeitet und sind dabei produktive Kontaktpunkte auszumachen? Visuelle und audiovisuelle Medien ermöglichen es auf vielfältige Arten indexikalische und ikonische, (hyper)realistische und abstrahierende Bilder zu generieren; gleichzeitig aber sind sie – gerade im narrativen Kontext – meist darum bemüht, sich selbst als mediales Setting möglichst ‚unsichtbar‘ zu machen. Diese Ambivalenz gilt dabei grundsätzlich für Fotografie und Realfilm ebenso wie für Comic und Animation – allerdings mit tendenziell medienspezifisch variierender Gewichtung. So ist das Spannungsverhältnis von Transparenz und Opazität für Animation und Comic ein umso symptomatischeres, bewegen sich doch beide aufgrund ihrer spezifischen, eben nicht oder nur partiell fotorealistischen Visualität besonders eindrucksvoll auf dem schmalen Grat zwischen Illusionsschaffung und deren Bruch. Die „graphische Sprache“ (Groensteen 1988, 4) beider Medien bzw. ihre „self-evident principles of construction“ (Wells 1998, 25) lenken unweigerlich die Aufmerksamkeit auf ihren künstlerischen Herstellungsprozess und damit ebenfalls auf den artifiziellen Status ihrer Bilder und derer Inhalte. So ermöglichen beispielsweise die Repräsentationslogiken des Comics und des Zeichentrickfilms die Kombination verschiedener Zeichenstile sowie die Variation unterschiedlicher Realismusund Abstraktionsgrade innerhalb eines Werkes oder sogar innerhalb eines einzelnen Panels bzw. einer einzelnen Einstellung. Und obwohl keineswegs von einem einheitlichen bzw. einzigen, konsequent durchgehaltenen Comicoder Cartoon-Stil die Rede sein kann, sind Zei|| 1 In diesem Zusammenhang ließe sich auch grundsätzlicher auf die darstellungstheoretische Diskussion um die ‚Transparenz‘ und ‚Opazität‘ von (fotografischen vs. nicht-fotografischen) Bildern (vgl. z.B. Currie 1991; Friday 1996; Walton 1984), auf die von Jay David Bolter und Richard Grusin im Rahmen der „double logic of remediation“ (2000, 5) beschriebenen Strategien der immediacy und hypermediacy sowie auf das aus verschiedenen Perspektiven theoretisierte Wechselspiel von Immersion und Immersionsbruch in verschiedenen Medien (vgl. z.B. Curtis 2008; Thon 2008; Wolf 1993) verweisen.","PeriodicalId":160974,"journal":{"name":"Ästhetik des Gemachten","volume":"8 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2018-09-24","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Ästhetik des Gemachten","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110538724-001","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
In dieser Einführung zum Sammelband Ästhetik des Gemachten: Interdisziplinäre Beiträge zur Animationsund Comicforschung fragen die Herausgeber_innen nach produktiven Schnittmengen zwischen Animationsund Comicforschung mit Blick auf die je spezifische Qualität, Materialität und Ästhetik von Animation und Comic. Zur Medienästhetik von Animation und Comic Animation und Comic weisen in ihren Ästhetiken offenkundige Parallelen auf, denen jedoch bislang in der jeweils einschlägigen Forschung kaum angemessene Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Beide basieren auf künstlerischen Praktiken, die unter Einsatz spezifischer Techniken Bilder generieren, welche wiederum diese Techniken ihrer Entstehung in einer besonderen Art und Weise mit-ausstellen. So verweisen die gezeichneten Linien des Comics oder des Cartoons auf den Akt des Zeichnens selbst, die Knetfiguren im Stop-Motion-Animationsfilm auf den Akt ihrer händischen (Ver-)Formung oder die hyperrealistischen, überhöhten Figuren des Superheld_innen-Comics und VFX-Kinos auf ihren Status als Artefakte. Animation und Comic erscheinen dabei – im Vergleich etwa zu Fotografie oder Realfilm – als grafische, ‚handgemachte‘ Medienformen, die die Künst|| Dr. Hans-Joachim Backe, IT University of Copenhagen, Center for Computer Games Research, Rued Langgaards Vej 7, 2300 Copenhagen, E-Mail: hanj@itu.dk Dr. des. Julia Eckel, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medienwissenschaft, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, E-Mail: julia.eckel@ruhr-uni-bochum.de Dr. Erwin Feyersinger, Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Medienwissenschaft, Wilhelmstr. 50, 72074 Tübingen, E-Mail: erwin.feyersinger@uni-tuebingen.de Dr. Véronique Sina, Universität zu Köln, Institut für Medienkultur und Theater, Meister-Ekkehart-Str. 11, 50937 Köln, E-Mail: veronique.sina@uni-koeln.de Dr. Jan-Noël Thon, University of Nottingham, Department of Cultural, Media and Visual Studies, Trent Building, University Park, Nottingham NG7 2RD, E-Mail: jan-noel.thon@nottingham.ac.uk 2 | Hans-Joachim Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Véronique Sina, Jan-Noël Thon lichkeit ihrer Entstehung tendenziell stärker offenlegen und dadurch besonders eindrücklich reflektieren. Diese Thematisierung der eigenen Gemachtheit bildet den Hauptgegenstand des vorliegenden Bandes, in dessen Rahmen die Parallelen, Schnittstellen und Unterschiede herausgearbeitet werden, die sich im Kontext von Animationsund Comicforschung im Hinblick auf die analytische, ästhetische und methodische Erfassung ihrer jeweiligen Gegenstände ergeben. Wie lässt sich also die spezifische Qualität, Materialität und Ästhetik von Animation und Comic wissenschaftlich erfassen? Wie gehen Comicforscher_innen und Animationsforscher_innen aus unterschiedlichen Disziplinen mit dieser besonderen Beschaffenheit ihrer Gegenstände um? Welche Themen und Konzepte werden aktuell innerhalb der Forschungsfelder im Hinblick auf die genannte Fragestellung bearbeitet und sind dabei produktive Kontaktpunkte auszumachen? Visuelle und audiovisuelle Medien ermöglichen es auf vielfältige Arten indexikalische und ikonische, (hyper)realistische und abstrahierende Bilder zu generieren; gleichzeitig aber sind sie – gerade im narrativen Kontext – meist darum bemüht, sich selbst als mediales Setting möglichst ‚unsichtbar‘ zu machen. Diese Ambivalenz gilt dabei grundsätzlich für Fotografie und Realfilm ebenso wie für Comic und Animation – allerdings mit tendenziell medienspezifisch variierender Gewichtung. So ist das Spannungsverhältnis von Transparenz und Opazität für Animation und Comic ein umso symptomatischeres, bewegen sich doch beide aufgrund ihrer spezifischen, eben nicht oder nur partiell fotorealistischen Visualität besonders eindrucksvoll auf dem schmalen Grat zwischen Illusionsschaffung und deren Bruch. Die „graphische Sprache“ (Groensteen 1988, 4) beider Medien bzw. ihre „self-evident principles of construction“ (Wells 1998, 25) lenken unweigerlich die Aufmerksamkeit auf ihren künstlerischen Herstellungsprozess und damit ebenfalls auf den artifiziellen Status ihrer Bilder und derer Inhalte. So ermöglichen beispielsweise die Repräsentationslogiken des Comics und des Zeichentrickfilms die Kombination verschiedener Zeichenstile sowie die Variation unterschiedlicher Realismusund Abstraktionsgrade innerhalb eines Werkes oder sogar innerhalb eines einzelnen Panels bzw. einer einzelnen Einstellung. Und obwohl keineswegs von einem einheitlichen bzw. einzigen, konsequent durchgehaltenen Comicoder Cartoon-Stil die Rede sein kann, sind Zei|| 1 In diesem Zusammenhang ließe sich auch grundsätzlicher auf die darstellungstheoretische Diskussion um die ‚Transparenz‘ und ‚Opazität‘ von (fotografischen vs. nicht-fotografischen) Bildern (vgl. z.B. Currie 1991; Friday 1996; Walton 1984), auf die von Jay David Bolter und Richard Grusin im Rahmen der „double logic of remediation“ (2000, 5) beschriebenen Strategien der immediacy und hypermediacy sowie auf das aus verschiedenen Perspektiven theoretisierte Wechselspiel von Immersion und Immersionsbruch in verschiedenen Medien (vgl. z.B. Curtis 2008; Thon 2008; Wolf 1993) verweisen.