{"title":"Lena Schmitz: Nationalkultur versus Berufskultur. Eine Kritik der Kulturtheorie und Methodik Hofstedes. Bielefeld (transcript) 2015, 275 Seiten","authors":"Christiane Dätsch","doi":"10.14361/zkmm-2016-0211","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"In Zeiten, in denen kulturelle Fragestellungen eine unübersehbare gesamtgesellschaftliche Dringlichkeit erreicht haben, stellt die Studie Nationalkultur versus Berufskultur von Lena Schmitz einen aktuellen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff und der Kulturtheorie des niederländischen Sozialpsychologen Geert Hofstede dar. Hofstedes Modell des empirisch begründeten Kulturvergleichs auf nationaler Ebene wird bis heute in handlungsorientierten Fächern wie der Management-, Betriebswirtschaftsund Marketinglehre, aber auch den Kommunikationswissenschaften, der angewandten Pädagogik und Psychologie als Grundlagenliteratur gehandelt. Interkulturelle Managementtrainings und Workshops referieren auf Hofstede. Zur Vorbereitung auf das Leben im Ausland und die Besonderheiten der interkulturellen Kommunikation gilt sein Buch ebenso als gängiger Ratgeber wie für die Vermeidung kultureller Konflikte bei der Zusammenarbeit in globalen Unternehmen. Entsprechend kommt das Buch in Trainingsprogrammen und im Rahmen von Weiterbildungsangeboten zum Einsatz. Programme dieser Art sind, wie Lena Schmitz bemerkt, fast schon „zu einer Art Ware geworden, die Problemlösungen für interkulturelles Missverstehen anbietet“ (S. 102). Zugleich ist sein Modell aber auch in die Kritik geraten: In postnationalen, migrantisch geprägten und global vernetzten Gesellschaften scheint es für einen überwiegend national orientierten Kulturbegriff immer weniger Wirklichkeitsentsprechungen zu geben. Seit Hofstedes Erhebungen in den 1960erund 1970er-Jahren haben sich die Relationen zwischen Individuum und Kollektiv, Nation und Gesellschaft grundlegend gewandelt oder sind zumindest so komplex geworden, dass einfache nationale Erklärungen für kulturelle Phänomene nicht mehr zu greifen scheinen. So sind Hofstedes schärfste Kritiker vor allem in den Kulturwissenschaften zu finden; zu ihnen zählt auch Lena Schmitz, deren Studie der Passauer Kulturwissenschaftler und Amerikanist Klaus P. Hansen als Doktorvater betreut hat. Als übergreifendes Ziel ihrer Arbeit formuliert Schmitz die Dekonstruktion von Hofstedes Kulturtheorie und Methodik und versucht eine theoretische wie methodische Deplausibilisierung seines Ansatzes. Zugleich versteht sie ihre Studie als einen Beitrag zum Paradigmenstreit zwischen einer an der ‚Nation‘ ausgerichteten","PeriodicalId":414783,"journal":{"name":"Zeitschrift für Kulturmanagement","volume":"9 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Zeitschrift für Kulturmanagement","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/zkmm-2016-0211","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
In Zeiten, in denen kulturelle Fragestellungen eine unübersehbare gesamtgesellschaftliche Dringlichkeit erreicht haben, stellt die Studie Nationalkultur versus Berufskultur von Lena Schmitz einen aktuellen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff und der Kulturtheorie des niederländischen Sozialpsychologen Geert Hofstede dar. Hofstedes Modell des empirisch begründeten Kulturvergleichs auf nationaler Ebene wird bis heute in handlungsorientierten Fächern wie der Management-, Betriebswirtschaftsund Marketinglehre, aber auch den Kommunikationswissenschaften, der angewandten Pädagogik und Psychologie als Grundlagenliteratur gehandelt. Interkulturelle Managementtrainings und Workshops referieren auf Hofstede. Zur Vorbereitung auf das Leben im Ausland und die Besonderheiten der interkulturellen Kommunikation gilt sein Buch ebenso als gängiger Ratgeber wie für die Vermeidung kultureller Konflikte bei der Zusammenarbeit in globalen Unternehmen. Entsprechend kommt das Buch in Trainingsprogrammen und im Rahmen von Weiterbildungsangeboten zum Einsatz. Programme dieser Art sind, wie Lena Schmitz bemerkt, fast schon „zu einer Art Ware geworden, die Problemlösungen für interkulturelles Missverstehen anbietet“ (S. 102). Zugleich ist sein Modell aber auch in die Kritik geraten: In postnationalen, migrantisch geprägten und global vernetzten Gesellschaften scheint es für einen überwiegend national orientierten Kulturbegriff immer weniger Wirklichkeitsentsprechungen zu geben. Seit Hofstedes Erhebungen in den 1960erund 1970er-Jahren haben sich die Relationen zwischen Individuum und Kollektiv, Nation und Gesellschaft grundlegend gewandelt oder sind zumindest so komplex geworden, dass einfache nationale Erklärungen für kulturelle Phänomene nicht mehr zu greifen scheinen. So sind Hofstedes schärfste Kritiker vor allem in den Kulturwissenschaften zu finden; zu ihnen zählt auch Lena Schmitz, deren Studie der Passauer Kulturwissenschaftler und Amerikanist Klaus P. Hansen als Doktorvater betreut hat. Als übergreifendes Ziel ihrer Arbeit formuliert Schmitz die Dekonstruktion von Hofstedes Kulturtheorie und Methodik und versucht eine theoretische wie methodische Deplausibilisierung seines Ansatzes. Zugleich versteht sie ihre Studie als einen Beitrag zum Paradigmenstreit zwischen einer an der ‚Nation‘ ausgerichteten