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Abstract
Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts unternahm das China der Ming-Dynastie unter Führung von Admiral Zhèng Hé mehrere großangelegte Expeditionen mit teilweise mehr als fünfzig Schiffen in Schlepptau und bis zu 30.000 Mann Besatzung. Sie drangen weit in den pazifischen Raum vor, erkundeten u. a. den indischen Ozean, Arabien, Ostafrika. Ob Hé auch bis nach Amerika gekommen sei, ist zwar unter Historikern umstritten und nach derzeitigem Kenntnisstand eher unwahrscheinlich. Doch stellte offensichtlich keine der nautischen Großmächte Europas, Spanien und Portugal, die führende Seemacht ihrer Zeit, sondern China. Seine Dschunken waren robust gebaut, imposant in Aufmachung und Größe, technisch europäischen Schiffen durchaus überlegen und auf hoher See zielsicher navigierbar. Hé starb zwischen 1433 und 1435, die kostspieligen Expeditionen, am chinesischen Hof zuweilen wenig gelitten, wurden eingestellt, sein Erbe verblasste.1 Von Christoph Kolumbus, der mehr als fünfzig Jahre nach Zhèng Hé gen Westen mit dem Ziel Ostasien in See stach, unterschied ihn nicht nur Sprache, Kultur und Religion, die nationale und schließlich kontinentale Zugehörigkeit. Vor allem blieben Hés Expeditionen für die entdeckten Länder und Völker ohne nennenswerte Konsequenzen. Das konfuzianistische China war zwar zu Zeiten Hés längst eine bedeutende Handelsmacht mit dem ausdrücklichen Interesse, seine Handelsbeziehung auszuweiten, aber die Idee, einen exterritorialen Raum jenseits des »Reichs der Mitte« zu erobern, zu kolonisieren und zu plündern, war ihm offensichtlich fremd. Für Kolumbus und seinesgleichen lässt sich das bekanntlich nicht sagen. Die überraschende Entdeckung der sogenannten »Neuen Welt« hatte für sie einschneidende Folgen, die auf den seitdem »Alte Welt« genannten Raum rasch zurückstrahlten und jene Epoche prägen sollten, die als »Neuzeit« noch in ihrem