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Abstract
Individuelle Navigationsentscheidungen sind nicht individuell interpretierbar, sondern nur innerhalb enorm großer Datensätze, in denen der einzelne Zugriff in Beziehung gesetzt wird zu Millionen von anderen. Dabei interessiert sich das System nicht für die Wünsche kultureller Eliten und Experten bezüglich der Frage, wie mit kulturellen Inhalten umgegangen werden sollte, sondern wie mit ihnen laufend umgegangen wird ‒ um so Regelmäßigkeiten auszumachen, die man an das Publikum zurückspielen kann. Damit scheinen Suchmaschinen natürlich zunächst einmal ganz dem Geiste des Rhizoms verpflichtet zu sein: Sie haben keine Ambition dazu, der Informationswelt, für die sie den Zugang bilden, irgendeine systematische oder kategoriale Ordnung mit Ewigkeitsanspruch aufzusetzen, sondern sie sind Instrumente, die ›Plateaus‹ im Sinne Deleuzes und Guattaris sowohl ausfindig machen, als auch formen. Waren Suchmaschinen vor Google lediglich Garanten dafür, dass eine Webseite eine bestimmte Folge von Zeichen enthielt, wurden sie nach Page Rank und mit dem Aufkommen von Analytics-Systemen zum Bürgen tatsächlicher Sinnhaftigkeit und Anschlussfähigkeit auf dem culture layer. Dabei bildet Google aber keine bestimmte Pädagogik oder Philosophie kultureller Vermittlung ab außer jener, dass sich irgendwo in den großen Zahlen ein virtueller Konsens des Massenpublikums verbirgt, den es nicht zu hinterfragen oder herauszufordern, sondern zu vermessen und weiterzutragen gilt. In diesem Sinne ›partizipiert‹ natürlich jeder Nutzer zu einem gewissen Grade an der Abruf-Architektur, welche die Suchmaschine dem Web aufsetzt.