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Abstract
Gabriela Mistral war eine der imposanten chilenischen Frauen: undiplomatische, immer traurige Dichterin und dichtende Diplomatin, Nobelpreisträgerin und Namensgeberin. Nach ihr ist das Kulturzentrum von Santiago de Chile (GAM) beannt. Wo das Pinochet-Regime sein Quartier hatte, steht es nun und hält dem Andrang stand. Der ist riesig. Neue Musik findet keiner langweilig, gerade viele Junge reißen sich um Karten. Wie in der Metro darf man lange Schlange stehen. Im GAM finden das Eröffnungsund das Abschlusskonzert des Encuentro Internacional de Compositores statt. Es gibt viel im Lande Unbekanntes zu hören. Bis auf zwei von fünfzehn Stücken beider Konzerte ausschließlich chilenische Erstaufführungen: ein Streichquartett, Klaviertrios, Ensemblestücke, dann ein frühes Duo für Geige und Klavier der Österreicherin Olga Neuwirth, ein abstraktes Flöte-Klavier-Duo von Leni Alexander (die gebürtige Breslauerin gehört zu den vielen Chilenen mit einer wundersam verzweigten Migrationsbiographie). Solostücke, sämtlich von Lateinamerikanerinnen: ein Bassklarinettengewusel von der poppigen Candelaria Zamar, eine Story für einen repetitionssüchtigen Pianisten von Natalia Solomonoff, ein Stück für eine träumende Geigerin von der großen Graciela Paraskevaídis. Ohne Stimme kommt keines der Solostücke aus. Sie singen und summen großartig, der argentinische Klarinettist Eduardo Spinelli, der kolumbianische Pianist Daniel Añez Garcia und die kanadische Geigerin Geneviève Liboiron. Bekannt waren die Cursos latinoamericanos de música contemporánea, abgehalten zwischen 1971 und 1989 in unterschiedlichen Ländern, in Mitteleuropa – begreiflicherweise damals nicht in Chile. Zu ihnen fuhren Louis Andriessen, Konrad Boehmer, Klaus und Nicolaus A. Huber, Helmut Lachenmann, Luigi Nono, Dieter Schnebel und von der damaligen Wiener lehren und lernen