{"title":"Imperative im Deutschen: Konstruktionen, Praktiken oder social action formats?","authors":"Arnulf Deppermann","doi":"10.1515/9783110637502-009","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Im Zentrum von Susanne Günthners Arbeiten steht das Verhältnis zwischen Grammatik und sprachlichem Handeln in der sozialen Interaktion. Ausgangs punkt war für sie Thomas Luckmanns Einsicht, dass routinisierte sprachliche Muster sedimentierte Lösungen für wiederkehrende kommunikative Aufgaben sind (Luckmann 1986). Diese Erkenntnis ist grundlegend für ihr Verständnis sprachlicher Formen, vor allem von grammatischen Konstruktionen (Günthner 2006, 2010a, 2011) und von kommunikativen Gattungen (Günthner/Knoblauch 1994; Günthner/König 2016; Günthner 2018). Schnelligkeit der Verständigung und Erwartbarkeit des Fortgangs der Interaktion erfordern den Rückgriff auf For men, die sich bereits früher bei der Herstellung von Intersubjektivität bewährt haben (Feilke 1996). Gleichzeitig aber ist die „Spannung zwischen Emergenz und Sedimentierung, zwischen Reproduktion und Modifikation“ (Günthner 2011: 298) konstitutiv für sprachliche Praxis. Susanne Günthner hat in ihren zahlreichen Untersuchungen zu Konstruktionen der gesprochenen Sprache immer wieder gezeigt, wie Konstruktionen an die jeweils spezifischen, aktuellen interaktiven Kontexte angepasst werden (z. B. bzgl. wenn-Konstruktionen und Pseudo-Clefts: Günthner 2010a). Konstruktionen und Gattungen sind daher nicht fixe Einheiten, die in der Verwendung implementiert werden, sondern „Orientierungsmuster“, die sich flexibel „im jeweiligen Kontext (meist) in enger Abstimmung mit dem Gegenüber entfalten“ (Günthner/König 2016: 181). Die Anpassung an übergeord nete Gattungskontexte, an vorangehende sequenzielle Kontexte unddas leibliche Handeln, Sensitivität gegenüber InteraktionspartnerInnen und ihrem simultanen Handeln und die Zeitlichkeit der Online-Produktion sind für die situierte Adap tation sprachlicher Konstruktionen und damit für ihre Offenheit und die Bildung hybrider Formen verantwortlich (Günthner 2010a; s. a. Auer 2000; Deppermann/ Günthner 2015).","PeriodicalId":151287,"journal":{"name":"Verfestigungen in der Interaktion","volume":"6 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-11-09","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"5","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Verfestigungen in der Interaktion","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110637502-009","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Im Zentrum von Susanne Günthners Arbeiten steht das Verhältnis zwischen Grammatik und sprachlichem Handeln in der sozialen Interaktion. Ausgangs punkt war für sie Thomas Luckmanns Einsicht, dass routinisierte sprachliche Muster sedimentierte Lösungen für wiederkehrende kommunikative Aufgaben sind (Luckmann 1986). Diese Erkenntnis ist grundlegend für ihr Verständnis sprachlicher Formen, vor allem von grammatischen Konstruktionen (Günthner 2006, 2010a, 2011) und von kommunikativen Gattungen (Günthner/Knoblauch 1994; Günthner/König 2016; Günthner 2018). Schnelligkeit der Verständigung und Erwartbarkeit des Fortgangs der Interaktion erfordern den Rückgriff auf For men, die sich bereits früher bei der Herstellung von Intersubjektivität bewährt haben (Feilke 1996). Gleichzeitig aber ist die „Spannung zwischen Emergenz und Sedimentierung, zwischen Reproduktion und Modifikation“ (Günthner 2011: 298) konstitutiv für sprachliche Praxis. Susanne Günthner hat in ihren zahlreichen Untersuchungen zu Konstruktionen der gesprochenen Sprache immer wieder gezeigt, wie Konstruktionen an die jeweils spezifischen, aktuellen interaktiven Kontexte angepasst werden (z. B. bzgl. wenn-Konstruktionen und Pseudo-Clefts: Günthner 2010a). Konstruktionen und Gattungen sind daher nicht fixe Einheiten, die in der Verwendung implementiert werden, sondern „Orientierungsmuster“, die sich flexibel „im jeweiligen Kontext (meist) in enger Abstimmung mit dem Gegenüber entfalten“ (Günthner/König 2016: 181). Die Anpassung an übergeord nete Gattungskontexte, an vorangehende sequenzielle Kontexte unddas leibliche Handeln, Sensitivität gegenüber InteraktionspartnerInnen und ihrem simultanen Handeln und die Zeitlichkeit der Online-Produktion sind für die situierte Adap tation sprachlicher Konstruktionen und damit für ihre Offenheit und die Bildung hybrider Formen verantwortlich (Günthner 2010a; s. a. Auer 2000; Deppermann/ Günthner 2015).