{"title":"1.2 »Wilde Semiosen« und »epistemische Dinge«: Die Sperrigkeit des Materials","authors":"G. Korff","doi":"10.14361/9783839442326-004","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"(vgl. ebd.: 8). Und noch in einem anderen Punkt unterschieden sie sich von den privaten Kunstund Wunderkammern, die ihnen vorausgegangen waren: Sie waren nunmehr auf den Erhalt und die Dauerhaftigkeit ihrer Sammlungen hin angelegt. Während private Sammlungskabinette üblicherweise nach dem Tod ihrer Besitzer aufgelöst wurden (und ohne deren Führung und Anleitung in ihrem Sammlungskonzept meist auch gar nicht zu verstehen waren), lag den Museen nun die Aufgabe zugrunde, sowohl ihre Bestände als auch die ihnen zugeschriebenen Bedeutungen generationsübergreifend zu bewahren (vgl. Pomian 2007: 66ff.). Entsprechend trifft Habermas ̓ Einreihung des Museums mit dem Lesesaal und dem Konzert als reine Aushandlungsräume des Kulturellen wohl nicht den Kern der Sache. Ebenso wenig folgten die frühen Museen noch dem Quicchebergschen Ansatz, mnemotechnische Erinnerungspaläste zu sein. Ihre Funktion wurde vielmehr zunehmend auf die Zukunft hin ausgerichtet: Sie stellten nun nicht mehr nur Objekte der Vergangenheit für die Gegenwart aus, sondern sollten ihnen auch darüber hinaus einen Ort in der Geschichte zuweisen (vgl. ebd.: 70). Folgt man hier Bredekamps Argumentationslinie vom Museum als Formungsraum für den noch ungeformten Menschen, so impliziert dieser Auftrag zugleich einen Versuch, diese Zukunft gestaltund beherrschbar zu machen. Wie Wulf Kansteiner feststellt, wirken die Inhalte des historischen Bewusstseins normativ: Was in der Gegenwart erfolgreich historisiert werden kann, bestimmt zugleich auch die Grenzen der Zukunftserwartung mit (vgl. Kansteiner 2009: 33). Damit war die Aufgabe der frühen Museen das Einordnen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen kontingenten Sinnzusammenhang, der soziale Entwicklungen und Zustände legitimieren oder diskreditieren konnte. Das entscheidende Mittel zu diesem Zweck war weiterhin das materielle Objekt, das in den kommenden Jahrhunderten für die Arbeit des Museums ebenso konstitutiv wie schwierig bleiben sollte.","PeriodicalId":360038,"journal":{"name":"Dinge - Nutzer - Netze: Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen","volume":"9 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2018-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Dinge - Nutzer - Netze: Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839442326-004","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
(vgl. ebd.: 8). Und noch in einem anderen Punkt unterschieden sie sich von den privaten Kunstund Wunderkammern, die ihnen vorausgegangen waren: Sie waren nunmehr auf den Erhalt und die Dauerhaftigkeit ihrer Sammlungen hin angelegt. Während private Sammlungskabinette üblicherweise nach dem Tod ihrer Besitzer aufgelöst wurden (und ohne deren Führung und Anleitung in ihrem Sammlungskonzept meist auch gar nicht zu verstehen waren), lag den Museen nun die Aufgabe zugrunde, sowohl ihre Bestände als auch die ihnen zugeschriebenen Bedeutungen generationsübergreifend zu bewahren (vgl. Pomian 2007: 66ff.). Entsprechend trifft Habermas ̓ Einreihung des Museums mit dem Lesesaal und dem Konzert als reine Aushandlungsräume des Kulturellen wohl nicht den Kern der Sache. Ebenso wenig folgten die frühen Museen noch dem Quicchebergschen Ansatz, mnemotechnische Erinnerungspaläste zu sein. Ihre Funktion wurde vielmehr zunehmend auf die Zukunft hin ausgerichtet: Sie stellten nun nicht mehr nur Objekte der Vergangenheit für die Gegenwart aus, sondern sollten ihnen auch darüber hinaus einen Ort in der Geschichte zuweisen (vgl. ebd.: 70). Folgt man hier Bredekamps Argumentationslinie vom Museum als Formungsraum für den noch ungeformten Menschen, so impliziert dieser Auftrag zugleich einen Versuch, diese Zukunft gestaltund beherrschbar zu machen. Wie Wulf Kansteiner feststellt, wirken die Inhalte des historischen Bewusstseins normativ: Was in der Gegenwart erfolgreich historisiert werden kann, bestimmt zugleich auch die Grenzen der Zukunftserwartung mit (vgl. Kansteiner 2009: 33). Damit war die Aufgabe der frühen Museen das Einordnen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen kontingenten Sinnzusammenhang, der soziale Entwicklungen und Zustände legitimieren oder diskreditieren konnte. Das entscheidende Mittel zu diesem Zweck war weiterhin das materielle Objekt, das in den kommenden Jahrhunderten für die Arbeit des Museums ebenso konstitutiv wie schwierig bleiben sollte.