{"title":"Todesstrafe und Bürgerbewaffnung Vom mühsamen Weg zu rationaler Kriminalpolitik in den USA","authors":"A. Kreuzer","doi":"10.5771/0934-9200-2022-1-75","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Dass kriminalpolitische Entscheidungen wissensbasiert sein sollten, erscheint selbstverständlich. In den USA besteht jedoch gerade bei Todesstrafe und Bürgerbewaffnung eine Kluft zwischen wissenschaftlichen Einsichten und Politik, obwohl sie als führende Demokratie sonst oft Vorbild sind. Kriminalpolitische Konsequenz weltweiter und vor allem amerikanischer Erfahrungen und Forschungsbefunde könnte eigentlich nur sein, die Todesstrafe in Bund und Einzelstaaten abzuschaffen, Erwerb und Tragen von Schusswaffen drastisch einzuschränken. Für die Todesstrafe ist nämlich erwiesen: Erwartete Abschreckung bleibt aus; immer wieder wird gegen das Gebot gerechter, menschenrechtskonformer Entscheidungen und das Verbot von „cruel and unusual punishment“ im 8. Zusatzartikel zur Verfassung verstoßen; Justizirrtümer, Fehlverurteilungen und Exekutionen Unschuldiger sind unvermeidbar. Der weltweite Trend, die Todesstrafe abzuschaffen, hält trotz mancher Rückschläge insgesamt an; ebenso verhält es sich in den USA. Für das Waffenrecht ist erwiesen: Je mehr Schusswaffen in privater Hand, umso größer das Risiko fehlsamen Waffengebrauchs und von Waffengewalt. Trotz zunehmender Bürgerbewaffnung und Waffengewalt scheitern Ansätze, am freizügigen Waffenrecht zu rütteln. Dessen Ursachen und verheerende Auswirkungen deuten entsprechende Kennzeichnungen an: „American Gun Culture“, „Mass Shooting Epidemic“, „Armed School Generation“. Hindernisse für angekündigte Bestrebungen etwa des neuen Präsidenten zur Abschaffung der Todesstrafe und Beschränkung des Waffenrechts werden herausgearbeitet: Die Tradition, die sich im Zweiten Verfassungszusatz zum Recht auf Waffen in Bürgerhand widerspiegelt, die zahlreichen Spannungen, Konflikte, Spaltungen in der Gesellschaft, die Ängste, Vorurteile, Hass und Diskriminierungen hervorrufen, der politische Einfluss der mächtigen „National Rifle Association“, schließlich die durch Neubesetzungen verhärtete Front der Richtermehrheit im US Supreme Court, die sich einer zeitgemäßen Interpretation entsprechender Verfassungstexte versagt.","PeriodicalId":198233,"journal":{"name":"Neue Kriminalpolitik","volume":"477 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Neue Kriminalpolitik","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/0934-9200-2022-1-75","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Dass kriminalpolitische Entscheidungen wissensbasiert sein sollten, erscheint selbstverständlich. In den USA besteht jedoch gerade bei Todesstrafe und Bürgerbewaffnung eine Kluft zwischen wissenschaftlichen Einsichten und Politik, obwohl sie als führende Demokratie sonst oft Vorbild sind. Kriminalpolitische Konsequenz weltweiter und vor allem amerikanischer Erfahrungen und Forschungsbefunde könnte eigentlich nur sein, die Todesstrafe in Bund und Einzelstaaten abzuschaffen, Erwerb und Tragen von Schusswaffen drastisch einzuschränken. Für die Todesstrafe ist nämlich erwiesen: Erwartete Abschreckung bleibt aus; immer wieder wird gegen das Gebot gerechter, menschenrechtskonformer Entscheidungen und das Verbot von „cruel and unusual punishment“ im 8. Zusatzartikel zur Verfassung verstoßen; Justizirrtümer, Fehlverurteilungen und Exekutionen Unschuldiger sind unvermeidbar. Der weltweite Trend, die Todesstrafe abzuschaffen, hält trotz mancher Rückschläge insgesamt an; ebenso verhält es sich in den USA. Für das Waffenrecht ist erwiesen: Je mehr Schusswaffen in privater Hand, umso größer das Risiko fehlsamen Waffengebrauchs und von Waffengewalt. Trotz zunehmender Bürgerbewaffnung und Waffengewalt scheitern Ansätze, am freizügigen Waffenrecht zu rütteln. Dessen Ursachen und verheerende Auswirkungen deuten entsprechende Kennzeichnungen an: „American Gun Culture“, „Mass Shooting Epidemic“, „Armed School Generation“. Hindernisse für angekündigte Bestrebungen etwa des neuen Präsidenten zur Abschaffung der Todesstrafe und Beschränkung des Waffenrechts werden herausgearbeitet: Die Tradition, die sich im Zweiten Verfassungszusatz zum Recht auf Waffen in Bürgerhand widerspiegelt, die zahlreichen Spannungen, Konflikte, Spaltungen in der Gesellschaft, die Ängste, Vorurteile, Hass und Diskriminierungen hervorrufen, der politische Einfluss der mächtigen „National Rifle Association“, schließlich die durch Neubesetzungen verhärtete Front der Richtermehrheit im US Supreme Court, die sich einer zeitgemäßen Interpretation entsprechender Verfassungstexte versagt.