{"title":"Gertrudis Gómez de Avellaneda oder romantisches Schreiben zwischen Kuba und Spanien","authors":"Mit Gertrudis Gómez","doi":"10.1515/9783110703443-016","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mit Gertrudis Gómez de Avellaneda stoßen wir auf eine große Autorin, um die sich noch immer in eigenartiger, aber charakteristischer Verbohrtheit zwei nationale Literaturgeschichtsschreibungen streiten. Denn ebenso die spanische wie die kubanische Literaturgeschichtsschreibung reklamieren diese Dichterin vehement für sich – und nur für sich! Besonders hübsch und putzig sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von keinem Geringeren als Don Marcelino Menéndez y Pelayo, der die Avellaneda aufgrund ihrer Bildung und Ausbildung für eine Spanierin hält, könne diese hochgebildete Dichterin – so der spanische Literaturpapst – doch niemals die kubanische Literatur vertreten. Und Lorenzo Cruz-Fuentes hat in seiner 1907 erschienenen Ausgabe der von ihm aufgespürten Autobiografía der Autorin und ihrer Briefe an Cepeda betont, wie lächerlich und absurd der Standpunkt des damaligen kubanischen Vizepräsidenten Zayas sei. Denn der kubanische Politiker und Kritiker habe davon gesprochen, dass Tula, wie man die in Kuba geborene Dichterin auch nannte, die spanische Literatur für die kubanische Literatur von kubanischer Seite her erobert habe, dass sie also als Kubanerin letztlich die spanische Literatur der ihren, der kubanischen unterworfen und einverleibt habe. All dies mag heute ein wenig wie in die Jahre gekommene Folklore erscheinen. Tatsache aber ist, dass sich Gertrudis Gómez de Avellaneda bis heute entweder als Kubanerin oder als Spanierin durch die verschiedenen Literaturgeschichten treibt und mit ihrem Namen entweder für die iberische oder die karibische Literaturtradition einsteht. Dies ist durchaus auf Grund der differierenden und differenzierenden Entwicklung der Disziplinen und der nationalen Geschichtsschreibungen verständlich, verweist aber auf die Absurdität derartiger Anschauungen und letztlich auch auf die Borniertheit oder zumindest doch Relativiertheit und Begrenztheit einer derartigen Literaturgeschichtsschreibung. Keine Angst, wir werden uns einer derart exkludierenden und essentialisierenden Literaturwissenschaft nicht verschreiben! Zum Thema Bildung und Erziehung hatte die gute Tula – wie wir sie bisweilen nennen dürfen – das Nötige schon zu ihrer Zeit gesagt, schrieb sie doch im Jahre 1839 in ihrer Autobiographie, auf die wir gleich zurückkommen werden, einige recht interessante Zeilen zu einem Vergleich zwischen ihrer Heimatinsel und Spanien. Sie verglich darin die unterschiedliche Erziehung von Mädchen in Kuba und in Spanien, wobei sie als echte Kubanerin Galizien heranzog, ist doch auf Grund der zahlreichen Einwanderer aus diesem Teil des Landes ein Spanier für kubanische Seelen doch stets ein „Gallego“:","PeriodicalId":169273,"journal":{"name":"Romantik zwischen zwei Welten","volume":"591 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-08-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Romantik zwischen zwei Welten","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110703443-016","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Mit Gertrudis Gómez de Avellaneda stoßen wir auf eine große Autorin, um die sich noch immer in eigenartiger, aber charakteristischer Verbohrtheit zwei nationale Literaturgeschichtsschreibungen streiten. Denn ebenso die spanische wie die kubanische Literaturgeschichtsschreibung reklamieren diese Dichterin vehement für sich – und nur für sich! Besonders hübsch und putzig sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von keinem Geringeren als Don Marcelino Menéndez y Pelayo, der die Avellaneda aufgrund ihrer Bildung und Ausbildung für eine Spanierin hält, könne diese hochgebildete Dichterin – so der spanische Literaturpapst – doch niemals die kubanische Literatur vertreten. Und Lorenzo Cruz-Fuentes hat in seiner 1907 erschienenen Ausgabe der von ihm aufgespürten Autobiografía der Autorin und ihrer Briefe an Cepeda betont, wie lächerlich und absurd der Standpunkt des damaligen kubanischen Vizepräsidenten Zayas sei. Denn der kubanische Politiker und Kritiker habe davon gesprochen, dass Tula, wie man die in Kuba geborene Dichterin auch nannte, die spanische Literatur für die kubanische Literatur von kubanischer Seite her erobert habe, dass sie also als Kubanerin letztlich die spanische Literatur der ihren, der kubanischen unterworfen und einverleibt habe. All dies mag heute ein wenig wie in die Jahre gekommene Folklore erscheinen. Tatsache aber ist, dass sich Gertrudis Gómez de Avellaneda bis heute entweder als Kubanerin oder als Spanierin durch die verschiedenen Literaturgeschichten treibt und mit ihrem Namen entweder für die iberische oder die karibische Literaturtradition einsteht. Dies ist durchaus auf Grund der differierenden und differenzierenden Entwicklung der Disziplinen und der nationalen Geschichtsschreibungen verständlich, verweist aber auf die Absurdität derartiger Anschauungen und letztlich auch auf die Borniertheit oder zumindest doch Relativiertheit und Begrenztheit einer derartigen Literaturgeschichtsschreibung. Keine Angst, wir werden uns einer derart exkludierenden und essentialisierenden Literaturwissenschaft nicht verschreiben! Zum Thema Bildung und Erziehung hatte die gute Tula – wie wir sie bisweilen nennen dürfen – das Nötige schon zu ihrer Zeit gesagt, schrieb sie doch im Jahre 1839 in ihrer Autobiographie, auf die wir gleich zurückkommen werden, einige recht interessante Zeilen zu einem Vergleich zwischen ihrer Heimatinsel und Spanien. Sie verglich darin die unterschiedliche Erziehung von Mädchen in Kuba und in Spanien, wobei sie als echte Kubanerin Galizien heranzog, ist doch auf Grund der zahlreichen Einwanderer aus diesem Teil des Landes ein Spanier für kubanische Seelen doch stets ein „Gallego“: