{"title":"Kulturen des Reparierens und die Lebensdauer der Dinge","authors":"S. Krebs, Gabriele Schabacher, H. Weber","doi":"10.14361/9783839438602-001","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Das Reparieren gehört zu den basalen Vollzügen unseres Alltagslebens.1 Mit den Dingen, aber auch mit Infrastrukturen und organisationalen Abläufen gehen Prozesse des Instandsetzens notwendigerweise einher. Reparieren bildet somit eine grundlegende Praxis in der wechselseitigen Interaktion zwischen Mensch und Technik, und diese ist mit einem ganz spezifischen Wissen um Dinge, Apparaturen, Abläufe und Eingriffe verbunden. Steven Jackson plädiert in seinem Essay »Rethinking Repair« sogar für ein grundlegendes »broken world thinking« (Jackson 2014: 221). Er greift damit ein methodisches Prinzip auf, das Geoffrey Bowker als »infrastructural inversion« bezeichnet hatte (Bowker 1994): Dabei geht es um eine Vordergrund-Hintergrund-Verkehrung der gemeinhin unterstellten Verhältnisse. Für Jackson bedeutet das im Zusammenhang des Reparierens, nicht das funktionierende System als Normalzustand zu unterstellen, sondern vielmehr eine ihm grundlegende Dysfunktionalität. Erst unter dieser Bedingung könne deutlich werden, dass insbesondere die großen Infrastruktursysteme (Gas, Telefon, U-Bahn etc.) nur durch unermüdliches Reparieren am Laufen gehalten werden können, da ihnen der Defekt bis hin zum Systemausfall inhärent ist (Jackson 2014). Das Reparieren tritt dabei häufig in ungeplanten Situationen auf, um Störungen zu beheben und ›kaputt‹ Gegangenes ›nachsorgend‹ wieder einsatzfähig zu machen. Darin unterscheidet es sich vom Warten als einer vorsorgenden und meist geplanten Tätigkeit. Warten wie auch Reparieren zögern so die Abnutzung der Dinge und den Punkt ihrer Unbrauchbarkeit hinaus und betreffen damit das Problem des Verschleißes und der sogenannten ›Lebensdauer‹ der Dinge, also die Frage, wie lange etwas eingesetzt wird bzw. wann man es aus der Warenbzw. Dingzirkulation aussondert.2","PeriodicalId":114562,"journal":{"name":"Kulturen des Reparierens","volume":"86 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2018-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Kulturen des Reparierens","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839438602-001","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 1
Abstract
Das Reparieren gehört zu den basalen Vollzügen unseres Alltagslebens.1 Mit den Dingen, aber auch mit Infrastrukturen und organisationalen Abläufen gehen Prozesse des Instandsetzens notwendigerweise einher. Reparieren bildet somit eine grundlegende Praxis in der wechselseitigen Interaktion zwischen Mensch und Technik, und diese ist mit einem ganz spezifischen Wissen um Dinge, Apparaturen, Abläufe und Eingriffe verbunden. Steven Jackson plädiert in seinem Essay »Rethinking Repair« sogar für ein grundlegendes »broken world thinking« (Jackson 2014: 221). Er greift damit ein methodisches Prinzip auf, das Geoffrey Bowker als »infrastructural inversion« bezeichnet hatte (Bowker 1994): Dabei geht es um eine Vordergrund-Hintergrund-Verkehrung der gemeinhin unterstellten Verhältnisse. Für Jackson bedeutet das im Zusammenhang des Reparierens, nicht das funktionierende System als Normalzustand zu unterstellen, sondern vielmehr eine ihm grundlegende Dysfunktionalität. Erst unter dieser Bedingung könne deutlich werden, dass insbesondere die großen Infrastruktursysteme (Gas, Telefon, U-Bahn etc.) nur durch unermüdliches Reparieren am Laufen gehalten werden können, da ihnen der Defekt bis hin zum Systemausfall inhärent ist (Jackson 2014). Das Reparieren tritt dabei häufig in ungeplanten Situationen auf, um Störungen zu beheben und ›kaputt‹ Gegangenes ›nachsorgend‹ wieder einsatzfähig zu machen. Darin unterscheidet es sich vom Warten als einer vorsorgenden und meist geplanten Tätigkeit. Warten wie auch Reparieren zögern so die Abnutzung der Dinge und den Punkt ihrer Unbrauchbarkeit hinaus und betreffen damit das Problem des Verschleißes und der sogenannten ›Lebensdauer‹ der Dinge, also die Frage, wie lange etwas eingesetzt wird bzw. wann man es aus der Warenbzw. Dingzirkulation aussondert.2