{"title":"Das (un-)bekannte Grönland – Von notoria und ignorantia facti","authors":"Martin Schaad","doi":"10.14361/9783839451847-006","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Selbst wenn Povel Juel sich an sein Postskriptum erinnert hätte, dürfte ihn die darin demonstrierte Vorliebe für unwirtliche Regionen des Nordens natürlich nicht gänzlich entlastet haben. Doch seiner Versicherung, er habe lediglich nach Grönland gewollt, hätte sie eine gewisse Glaubwürdigkeit verliehen – gerade auch in Verbindung mit seiner Landwirtschaftsanweisung »En god Bonde« und dem Lehrgedicht über das »Lyksaaligt Liv«. Vielleicht markierte sein Schreiben an den Zaren gar nicht den von Zeitgenossen und einigen Historikern behaupteten Triumph des Ehrgeizes über die Erfahrung. Womöglich war es nach dem Wunsch, nach Finnmarken gesandt zu werden, und nach mehreren abgelehnten oder ignorierten Grönlandprojekten nur ein erneuter Versuch, die eigenen widerstreitenden Neigungenmiteinander zu versöhnen: ImAuftrag einesmächtigenHerrschers endlich die Anerkennung als Amtsträger zurück zu gewinnen, gleichwohl aber im Landleben die ersehnte Ruhe zu finden. Wer wäre für eine solche Aufgabe geeigneter als ein ausgewiesener Experte für nordische Landwirtschaft? Und wo gab es im frühen 18. Jahrhundert ruhigere und damit für den Poeten Juel glückseligere Orte als Finnmarken oder Grönland? Um die Sehnsüchte oder das Naturell des Angeklagten ging es allerdings längst nicht mehr. Mit seiner Interpretation des »verwegenen Memorials« hatte der Generalfiskal bereits Ungehorsam, Rachsucht und verräterische Gedanken als dessen wesentliche Charaktereigenschaften identifiziert. Genau in diesem Sinne wollte Truell Schmidt nun auch das erste Beweisstück gewertet wissen: den Brief von Povel Juel an Peter den Großen, den mächtigen Zaren des russischen Reiches.","PeriodicalId":337755,"journal":{"name":"Der Hochverrat des Amtmanns Povel Juel","volume":"20 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Der Hochverrat des Amtmanns Povel Juel","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839451847-006","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
Selbst wenn Povel Juel sich an sein Postskriptum erinnert hätte, dürfte ihn die darin demonstrierte Vorliebe für unwirtliche Regionen des Nordens natürlich nicht gänzlich entlastet haben. Doch seiner Versicherung, er habe lediglich nach Grönland gewollt, hätte sie eine gewisse Glaubwürdigkeit verliehen – gerade auch in Verbindung mit seiner Landwirtschaftsanweisung »En god Bonde« und dem Lehrgedicht über das »Lyksaaligt Liv«. Vielleicht markierte sein Schreiben an den Zaren gar nicht den von Zeitgenossen und einigen Historikern behaupteten Triumph des Ehrgeizes über die Erfahrung. Womöglich war es nach dem Wunsch, nach Finnmarken gesandt zu werden, und nach mehreren abgelehnten oder ignorierten Grönlandprojekten nur ein erneuter Versuch, die eigenen widerstreitenden Neigungenmiteinander zu versöhnen: ImAuftrag einesmächtigenHerrschers endlich die Anerkennung als Amtsträger zurück zu gewinnen, gleichwohl aber im Landleben die ersehnte Ruhe zu finden. Wer wäre für eine solche Aufgabe geeigneter als ein ausgewiesener Experte für nordische Landwirtschaft? Und wo gab es im frühen 18. Jahrhundert ruhigere und damit für den Poeten Juel glückseligere Orte als Finnmarken oder Grönland? Um die Sehnsüchte oder das Naturell des Angeklagten ging es allerdings längst nicht mehr. Mit seiner Interpretation des »verwegenen Memorials« hatte der Generalfiskal bereits Ungehorsam, Rachsucht und verräterische Gedanken als dessen wesentliche Charaktereigenschaften identifiziert. Genau in diesem Sinne wollte Truell Schmidt nun auch das erste Beweisstück gewertet wissen: den Brief von Povel Juel an Peter den Großen, den mächtigen Zaren des russischen Reiches.