{"title":"1 „Lay upon us the burden of the world’s suffering“. Quäkerhumanitarismus vor dem Ersten Weltkrieg","authors":"Ersten Weltkrieg, Die Quäker","doi":"10.1515/9783110675788-003","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"1902 sprach Rufus Jones in Birmingham vor einer Versammlung von 300 britischen Quäkern über „Die Aufgabe unseres Zeitalters“ („The Task of our Age“). Jones, einer der bedeutendsten theologischen Erneuerer des Quäkertums in den USA und ein kommender Protagonist der Quäkerhilfe nach dem Ersten Weltkrieg, erläuterte seiner Zuhörerschaft, warum eine Religion nur dann Daseinsberechtigung besitze, wenn sie der Welt und ihren Problemen voll zugewandt sei. Angesichts der Not und des Elends könne sich niemand einen Anhänger Jesu Christi nennen, „if he stops at the salvation of his own soul“. Eine solche Haltung verwandele Religion „into a fine kind of selfishness“. Die Macht der Religion, so folgerte Jones, „is measured not by what God has done for us, as by what God is doing through us“.1 In Jones’ Worten spiegelte sich sowohl Umbruch als auch Kontinuität wider: Seine Zuhörerschaft verstand, dass seine Worte als Aufruf zur Öffnung gemeint waren, gerichtet an eine in ihrer Mehrheit immer noch stark nach innen gekehrte Glaubensgemeinschaft. Zur selben Zeit wollte Jones das kollektive Gedächtnis seiner Zuhörer aktivieren: an eine zu den Anfängen des Quäkertums zurückreichende „humanitäre“ Tradition,wie sie sich etwa in der Anti-Sklaverei-Bewegung und der Beteiligung an den verschiedensten Reformanliegen manifestiert hatte. Jones sprach über eine Glaubensgemeinschaft, die während ihrer zum Zeitpunkt seiner Rede rund 300 Jahre alten Geschichte viele Häutungen durchlaufen hatte. Die Religious Society of Friends war in ihren Ursprüngen eine der vielen puritanischen Sekten von britischen Dissenters gewesen, die sich im 17. Jahrhundert unter der Führung von George Fox (1624–1691) von der Church of England abspalteten. Während der Ära der Verfolgungen, die über weite Teile des 17. Jahrhunderts andauerte, floh eine größere Gruppe in die Neue Welt. Unter denen, welche die Heimat verließen,war auch der wohlhabende KaufmannWilliam Penn (1644– 1718), der in der nach ihm benannten Kolonie Pennsylvania eine Art Quäker-Utopia gründete, mit dem Zentrum in Philadelphia, der „Stadt der brü-","PeriodicalId":246013,"journal":{"name":"The Politics of Service","volume":"23 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-11-22","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"The Politics of Service","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110675788-003","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
1902 sprach Rufus Jones in Birmingham vor einer Versammlung von 300 britischen Quäkern über „Die Aufgabe unseres Zeitalters“ („The Task of our Age“). Jones, einer der bedeutendsten theologischen Erneuerer des Quäkertums in den USA und ein kommender Protagonist der Quäkerhilfe nach dem Ersten Weltkrieg, erläuterte seiner Zuhörerschaft, warum eine Religion nur dann Daseinsberechtigung besitze, wenn sie der Welt und ihren Problemen voll zugewandt sei. Angesichts der Not und des Elends könne sich niemand einen Anhänger Jesu Christi nennen, „if he stops at the salvation of his own soul“. Eine solche Haltung verwandele Religion „into a fine kind of selfishness“. Die Macht der Religion, so folgerte Jones, „is measured not by what God has done for us, as by what God is doing through us“.1 In Jones’ Worten spiegelte sich sowohl Umbruch als auch Kontinuität wider: Seine Zuhörerschaft verstand, dass seine Worte als Aufruf zur Öffnung gemeint waren, gerichtet an eine in ihrer Mehrheit immer noch stark nach innen gekehrte Glaubensgemeinschaft. Zur selben Zeit wollte Jones das kollektive Gedächtnis seiner Zuhörer aktivieren: an eine zu den Anfängen des Quäkertums zurückreichende „humanitäre“ Tradition,wie sie sich etwa in der Anti-Sklaverei-Bewegung und der Beteiligung an den verschiedensten Reformanliegen manifestiert hatte. Jones sprach über eine Glaubensgemeinschaft, die während ihrer zum Zeitpunkt seiner Rede rund 300 Jahre alten Geschichte viele Häutungen durchlaufen hatte. Die Religious Society of Friends war in ihren Ursprüngen eine der vielen puritanischen Sekten von britischen Dissenters gewesen, die sich im 17. Jahrhundert unter der Führung von George Fox (1624–1691) von der Church of England abspalteten. Während der Ära der Verfolgungen, die über weite Teile des 17. Jahrhunderts andauerte, floh eine größere Gruppe in die Neue Welt. Unter denen, welche die Heimat verließen,war auch der wohlhabende KaufmannWilliam Penn (1644– 1718), der in der nach ihm benannten Kolonie Pennsylvania eine Art Quäker-Utopia gründete, mit dem Zentrum in Philadelphia, der „Stadt der brü-