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Abstract
Wir sind Zeug*innen von radikalen innenund außenpolitischen Umbrüchen und erleben einschneidende Veränderungen, die häufig an Überforderung nicht entbehren. Es mag nur allzu menschlich erscheinen, in dieser Situation nach vermeintlich altbekannten Lösungen zu greifen, auf Parolen des Bewahrens, oder den Wert sogenannter, zu schützender kultureller Identität nach oben zu setzen. Der Soziologe Thomas Druyen sieht jedoch gerade in dieser Reaktion eine zentrale Ursache für die zunehmende Ratlosigkeit: »Es gibt diese ›Horizonte der Verlässlichkeit‹, die über Jahrhunderte unser Verhalten bestimmt haben, nicht mehr, die etwas sehr Beruhigendes hatten. Und deshalb ist Kontinuität oftmals eine Reise in die völlig falsche Richtung.« (Druyen 2018a; vgl. Druyen 2018b). Man mag entgegenhalten, dass Gesellschaften regelmäßig Umbrüche erfahren, die immer schon die Suche nach Orientierungsund Begründungsmustern auf die Tagesordnung gerufen haben. Allerdings bergen die Errungenschaften und Herausforderungen der Gegenwart eine Komplexität für das alltägliche (Zusammen-)Leben, die auch eine grundsätzliche Transformation bestehender Denkund Handlungslogiken erforderlich macht. Albert Einstein sagte bereits: »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« Im Kontext dieser Umbrüche und ansteigender Komplexität beziehungsweise Unübersichtlichkeit hat in den letzten Jahren der Begriff des Narrativs eine beachtliche Karriere gemacht. Als Modewort allerdings wird es vielfach in Texten verwendet, wo andere Begrifflichkeiten meist besser am Platz wären.