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Abstract
Im abschließenden, dem Phänomen der »Schäume« gewidmeten Teil seiner Sphären tri logie beschreibt Peter Sloterdijk den Prozess der Moderne als »Atmosphären-Expli kation.«1 Was zuvor als Atmosphäre, Klima, Ambiente oder Hintergrund dem gestaltend en Zugriff des Menschen schlicht unverfügbar, entzogen und implizit geblieben sei, wer de als Folge dieser Explikation nun zum Gegenstand technischer Beherrschung, damit potentiell künstlich herstellund manipulierbar. Diese als »Umwelt-Umkehrung«2 be zeichnete kulturanthropologische Zäsur manifestiere sich im 20. Jahrhundert beson ders in drei Beispielen: Terrorismus, Umweltbewusstsein und Produktdesign. Unter Terrorismus fasst Sloterdijk dabei all jene militärischen und paramilitärischen Vor gehensweisen, die dem Feind nicht durch einen direkten Angriff auf dessen Körper zu schaden versuchen, sondern dessen Lebensbedingungen selbst, seine Umwelt fokus sieren. In diesem Sinne sei der Einsatz von Chlorgas durch die deutschen Truppen in der Schlacht bei Ypern im Ersten Weltkrieg am 22. April 1915 als erster »terroristischer« Akt der Militärwie zugleich als erster umweltexplizierender Akt der Kulturgeschichte zu verstehen, als dabei die bisher voraussetzungslos hingenommene Hintergrundbedin gung der Atemluft in ihrer Prekarität hervorgetreten sei. Über die katastrophischen gasund strahlenterroristischen Zurichtungen von Umwelten, die insbesondere die Zeit bis 1945 prägen sollten, richtet Sloterdijk den Fokus aber auch auf zivile Bereiche hinaus: Die artifizielle Regulation klimatischer Lebensbedingungen wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur, aber auch die Erzeugung atmosphärisch gestimmter Räume, sei es in Kaufhäusern, Hotels oder Wohnhäusern, stellen dabei als Versuch der (Wieder-)