{"title":"Der Wille zum Stil – Die ästhetische „Umwertung der Werte“ im Fin de Siècle","authors":"M. Otto","doi":"10.14361/9783839411773-003","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"In seinem berühmten Nietzsche-Buch formuliert Gilles Deleuze gleich zu Beginn eindrücklich, Nietzsche habe überhaupt erst den Begriff des Wertes in die Philosophie eingeführt.1 Denn mit dem Theorem der Umwertung hat Nietzsche im Rahmen seiner Genealogie (der Moral) nicht nur das „Perspektivische in jeder Wertschätzung“2 aufgezeigt, sondern vor allem durch die historische Problematisierung von Wertsetzungen die jeweils herrschenden Werte als Ausdruck eines jeweiligen vornehmen oder niedrigen Willen zur Macht dekonstruiert. Für Nietzsche werden Werte dergestalt schließlich von einem vermeintlich ethischen Problem zu einer Frage des ästhetischen Geschmacks und vor allem des Stils. Der Name Nietzsche steht in diesem Zusammenhang mithin für eine ästhetische Dekonstruktion der Ethik. Im folgenden wird das berüchtigte Postulat der „Umwertung aller Werte“, wie es Nietzsche als Untertitel seines angekündigten, aber niemals verfassten, vermeintlichen Hauptwerkes „Der Wille zur Macht“ vorsah, daraufhin gelesen, dass es effektiv nicht auf die viel beschworene „große Politik“ oder gar dialektisch auf Gesellschaftsund Kulturkritik zielte, sondern vor allem als dezidiert ästhetische Umwertung konventioneller ethischer Werte einen diskursiven Stil hervorbrachte, der das sogenannte Fin de Siècle prägte und weit darüber hinaus vor allem im Sinne zynischer Provokation entsprechende Praktiken ästhetischer Selbstinszenierung gegenüber der Logik ethischer Werte inspirierte. Der Stil wurde dabei zum privile-","PeriodicalId":401037,"journal":{"name":"Das schöne Selbst","volume":"406 ","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2009-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Das schöne Selbst","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839411773-003","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
In seinem berühmten Nietzsche-Buch formuliert Gilles Deleuze gleich zu Beginn eindrücklich, Nietzsche habe überhaupt erst den Begriff des Wertes in die Philosophie eingeführt.1 Denn mit dem Theorem der Umwertung hat Nietzsche im Rahmen seiner Genealogie (der Moral) nicht nur das „Perspektivische in jeder Wertschätzung“2 aufgezeigt, sondern vor allem durch die historische Problematisierung von Wertsetzungen die jeweils herrschenden Werte als Ausdruck eines jeweiligen vornehmen oder niedrigen Willen zur Macht dekonstruiert. Für Nietzsche werden Werte dergestalt schließlich von einem vermeintlich ethischen Problem zu einer Frage des ästhetischen Geschmacks und vor allem des Stils. Der Name Nietzsche steht in diesem Zusammenhang mithin für eine ästhetische Dekonstruktion der Ethik. Im folgenden wird das berüchtigte Postulat der „Umwertung aller Werte“, wie es Nietzsche als Untertitel seines angekündigten, aber niemals verfassten, vermeintlichen Hauptwerkes „Der Wille zur Macht“ vorsah, daraufhin gelesen, dass es effektiv nicht auf die viel beschworene „große Politik“ oder gar dialektisch auf Gesellschaftsund Kulturkritik zielte, sondern vor allem als dezidiert ästhetische Umwertung konventioneller ethischer Werte einen diskursiven Stil hervorbrachte, der das sogenannte Fin de Siècle prägte und weit darüber hinaus vor allem im Sinne zynischer Provokation entsprechende Praktiken ästhetischer Selbstinszenierung gegenüber der Logik ethischer Werte inspirierte. Der Stil wurde dabei zum privile-