{"title":"Erfahrungen von Passivität als (prekäre) Fundierungen des Selbst und die Haltung der Gelassenheit","authors":"Juliane Schiffers","doi":"10.1515/jbmp-2017-0004","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Die Frage, die ich hier diskutieren möchte, ist die Frage nach der Fundierung des Selbst. Das, was wir sind und sein wollen, muss stets von Neuem begründet werden, die Fundierung des Selbst ist also eine strukturell prekäre. Denn das, was die menschliche Seinsweise und die Tätigkeiten, in denen sie sich vollzieht, wesentlich ausmacht, ist in diesen Tätigkeiten nicht verfügbar – es entzieht sich zunächst einer positiven Fassung. Und mehr noch: Das, was die menschliche Seinsweise und die ihr wesentliche Reflexivität, das Selbst, ermöglicht, lässt sich weder ontologisch voraussetzen noch rein begriff lich feststellen. Vordergründig entziehen sich diese Ermöglichungsmomente deshalb der Bezugnahme; das Selbst kann sich nicht aus sich selbst heraus begründen. Die These, die ich im Folgenden vor allem mit Martin Heideggers Analysen der Furcht, der Angst und der Gelassenheit entwickeln will, ist, dass es gerade solche Erfahrungen von Unverfügbarkeit und Unabschließbarkeit – Erfahrungen von Passivität – sind, in welchen das Selbst gründet. Ich beginne mit einer Einordnung meiner Fragestellung in den Kontext aktueller phänomenologischer Forschung, die auf das Problem des Grundes ebenfalls mit Konzeptionen von Passivität bzw. pathos reagieren, dabei aber vor allem mit Figuren des Anderen oder Fremden argumentieren, denen gegenüber das Eigene dann nachgeordnet ist oder sich nachrangig konstituiert. In einem zweiten Schritt werde ich die prekäre Fundierung des Selbst mit der Frage nach der Rolle solcher Passivitätserfahrungen in Heideggers Sein und Zeit 1 erläutern – und die Sorgestruktur, die das Selbst (als Dasein) letztlich kennzeichnet, als Ausdruck dieser prekären Fundierung verständlich machen, ohne dass es eines starken Alteritätsgedankens bedarf. Ein dritter Schritt stellt die Frage, wie diese Fundierung selbst explizit werden kann, wie sie sich als solche artikuliert – und wie daraus eine Haltung entwickelt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann ich schließlich das von Heidegger","PeriodicalId":340540,"journal":{"name":"Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie","volume":"33 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/jbmp-2017-0004","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Die Frage, die ich hier diskutieren möchte, ist die Frage nach der Fundierung des Selbst. Das, was wir sind und sein wollen, muss stets von Neuem begründet werden, die Fundierung des Selbst ist also eine strukturell prekäre. Denn das, was die menschliche Seinsweise und die Tätigkeiten, in denen sie sich vollzieht, wesentlich ausmacht, ist in diesen Tätigkeiten nicht verfügbar – es entzieht sich zunächst einer positiven Fassung. Und mehr noch: Das, was die menschliche Seinsweise und die ihr wesentliche Reflexivität, das Selbst, ermöglicht, lässt sich weder ontologisch voraussetzen noch rein begriff lich feststellen. Vordergründig entziehen sich diese Ermöglichungsmomente deshalb der Bezugnahme; das Selbst kann sich nicht aus sich selbst heraus begründen. Die These, die ich im Folgenden vor allem mit Martin Heideggers Analysen der Furcht, der Angst und der Gelassenheit entwickeln will, ist, dass es gerade solche Erfahrungen von Unverfügbarkeit und Unabschließbarkeit – Erfahrungen von Passivität – sind, in welchen das Selbst gründet. Ich beginne mit einer Einordnung meiner Fragestellung in den Kontext aktueller phänomenologischer Forschung, die auf das Problem des Grundes ebenfalls mit Konzeptionen von Passivität bzw. pathos reagieren, dabei aber vor allem mit Figuren des Anderen oder Fremden argumentieren, denen gegenüber das Eigene dann nachgeordnet ist oder sich nachrangig konstituiert. In einem zweiten Schritt werde ich die prekäre Fundierung des Selbst mit der Frage nach der Rolle solcher Passivitätserfahrungen in Heideggers Sein und Zeit 1 erläutern – und die Sorgestruktur, die das Selbst (als Dasein) letztlich kennzeichnet, als Ausdruck dieser prekären Fundierung verständlich machen, ohne dass es eines starken Alteritätsgedankens bedarf. Ein dritter Schritt stellt die Frage, wie diese Fundierung selbst explizit werden kann, wie sie sich als solche artikuliert – und wie daraus eine Haltung entwickelt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann ich schließlich das von Heidegger