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Abstract
Angesichts des markanten Aufstiegs des Rechtspopulismus in den vergangenen Jahren drängt sich die Frage immer wieder auf, ob oder inwiefern das Parlament den eigentlichen Volkswillen (noch) vertreten kann, und wie im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung der eigentliche Volkswille überhaupt festzustellen und effektiv durchzusetzen ist. In dieser Hinsicht steht das Vertrauen in die Fähigkeit des Parlaments, den wahren Volkswillen herauszubilden und zu artikulieren, erneut vor großen Herausforderungen. Durch eine vergleichende Analyse zwischen den Demokratietheorien Böckenfördes und Kelsens zeigt der vorliegende Beitrag, weshalb und inwiefern das weitverbreitete Verständnis des Volkswillens und dessen Rolle in der parlamentarischen Demokratie gerade vor dem heutigen Hintergrund eine kritische Besinnung verdient. Es wird argumentiert, dass gerade in demokratischer Hinsicht nicht die Suche nach dem „wahren Volkswillen“, sondern nach wie vor die Gewährleistung der Menschen- bzw. Grundrechte der Einzelnen und insbesondere der Minderheiten von zentraler Bedeutung sein soll.
In view of the spread of right-wing populism in recent years, the question as to how the will of the people is to be ascertained and expressed has attracted much attention in constitutional scholarship. In particular, the issue of whether or to what extent the parliament is (still) capable of representing and demonstrating the will of the people has been repeatedly discussed and debated. Through a comparative analysis of Böckenförde’s und Kelsen’s democratic theories, this article critically examines the problems of the widespread understanding of the will of the people as a real-empirical existence and its significance for the realization of democracy. Accordingly, it points out why and in what sense the reference to the so-called real will of the people would undermine rather than promote democracy. This article concludes by arguing that, precisely for the sake of democracy, what is crucial is not to determine what the “real will of the people” is, but rather to guarantee the freedom of the individual and especially of the minorities.