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Abstract
Bei allen aktuellen gesellschaftlichen Kontroversen scheint eines sicher zu sein, wir leben in Zeiten großer gesellschaftlicher Veränderungen (WBGU 2011). Manche Beobachter*innen interpretieren die gesellschaftlichen Konflikte sogar als Ausdruck einer allgemeinen Verunsicherung und sehen darin den Beleg für den sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandel, so als würden tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen notwendigerweise mit einer Verunsicherung der Bevölkerung einhergehen, die sich dem Wandel nicht gewachsen fühlt (ZLM 2019; Zweck et al. 2015). Die vermeintlich neuen sozialen Phänomene wie Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Rassismus scheinen sich so zu erklären, wenn sie nicht sogar mit einer verängstigten Bevölkerung entschuldigt werden. Demgegenüber hat gerade die deutsche Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, dass tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen die Bevölkerung nicht zwangsläufig verunsichern müssen. Nachdem Deutschland einen Weltkrieg geführt hatte, der rund 50 Mio. Menschen das Leben kostete, vollzog sich umstandslos eine rasante wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, die den Menschen offensichtlich keinen Anlass zur Irritation bot. Vielmehr entwickelte sich die faschistische Gesellschaft, deren Bevölkerung kurz zuvor noch die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen organisiert hatte, in kürzester Zeit zu einer wirtschaftlich überaus erfolgreichen, international angesehenen Demokratie. Die Neugründung jüdischer Gemeinden in