Die Europäische Union als Freiheitsgemeinschaft

F. Kainer
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Die hierin zum Ausdruck kommende Entwick-lungsdynamik der europaischen Integration ist der ursprunglich wirtschaftlichen Freiheitsge-wahrleistung und ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs zu verdanken. Sie hat eine intergouvernemental organisierte Handelsorganisation in ein suprana-tionales Gemeinwesen verwandelt, das auf nahezu allen Politikbereichen prasent ist und dabei im Rahmen seiner Zustandigkeiten viele staatliche Funktionen wahrnimmt. Dabei unterliegt die EU zuweilen einem gewissen Hang zu freiheitseinschrankender Uberregulierung, der mit einer Kommission zum Abbau von Burokratie und einer Selbstbeschrankung der Europaischen Kommission unter ihrem Prasidenten Jean-Claude Juncker nur im Ansatz gegengesteuert wurde. Es ware vielmehr am EuGH, das Prinzip der Verhaltnismasigkeit strenger zu prufen und die Ermessensspielraume der Unionsorgane zu beschranken. \nDer erreichte Stand mit Blick auf die gegenwartigen integrationspolitischen Spannungsfelder wirft die Frage auf, welche Entwicklungspotentiale die unionale Freiheitsgemeinschaft heute noch hat. Hier muss die Einschatzung eher nachdenklich ausfallen. Es scheint vielmehr, als ob sich die Integrationsdynamik in dem Mase verringert, wie sich die Integration sachgebietlich verbreitert. Der Grund hierfur ist nicht, dass wirtschaftliche Freiheit heute weniger wichtig ist. Und nicht die Ursache, sondern vielmehr Symptom sind die gegenwartigen populistisch-nationalistischen Stromungen weltweit und in der Europaischen Union, deren eine Auspragung die Austrittskampagne in Grosbritannien reprasentiert. Es scheint eher, dass die Auf-triebskrafte des wirtschaftlichen Integrationsansatzes sachlich begrenzt sind. Lies sich die Entwicklung supranationaler Wirkungen des Unionsrechts noch unmittelbar aus dem allseits kon-sentierten Binnenmarktprinzip ableiten, musste schon die weitere Ausentwicklung der Grundfreiheiten und die Ausfaltung der Harmonisierung immer ofter an Grenzen stosen und wurde der Zusammenhang mit den Freiheiten immer dunner. Die Hinzufugung marktferner oder marktunabhangiger Politiken ohne die Schubwirkung durch gerichtlich durchsetzbare subjektive Rechte mundet in eine Politisierung der Union, die zugleich starker als fruher unterschied-liche Traditionen und Werte offenlegt. Dies zeigt sich etwa an den Zugangspolitiken oder der Sicherheitspolitik, aber auch an privatrechtlichen Materien wie dem unionalen Arbeitsrecht und sehr deutlich an Planen zu einer (Teil-)Vergemeinschaftung der Sozialsysteme. Es ist den Institutionen gleichwohl uber viele Jahre erfolgreich gelungen, den Ausbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts voranzutreiben, allerdings um den Preis erheblicher Differenzen insbesondere in der Asyl- und Fluchtlingspolitik. Auf einer anderen Ebene haben die Antidiskriminierungsrichtlinien mit erheblichen Auswirkungen in die nationalen Rechtsord-nungen hineingewirkt und manche traditionellen Gewohnheiten verandert. In der Hinaufzonung der Entscheidung uber z.T. tradierte Lebensverhaltnisse und Gewohnheiten liegt einer der Grunde, warum die Europaische Union heute als eher burgerfern verstanden wird und mancherorts an Zustimmung verliert. \nDies bedeutet in keiner Weise, dass sich die unionale Freiheitsgemeinschaft uberlebt hat, im Gegenteil: Sie hat das Potential, die Union uber die verbindenden Wirkungen von Freiheitsge-wahrleistungen zusammenzuhalten und damit politischen Entwicklungen, mogen sie vielleicht auch behutsamer sein als fruher, eine sichere Grundlage zu geben. Dahinter steht schlieslich die Einsicht, dass gemeinsame Freiheit verbindet, ihre Beschrankung aber trennt.","PeriodicalId":408121,"journal":{"name":"Kernelemente der europäischen Integration","volume":"9 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Kernelemente der europäischen Integration","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783748905776-337","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract

Die Untersuchung der verschiedenen Facetten der unionalen Freiheitsgewahrleistung zeigt, dass die Europaische Union eine vitale Freiheitsgemeinschaft ist: stark in ihrer wirtschaftlichen Binnenrichtung mit dem bewahrten und weitgehend ausentwickelten Fundament des Binnenmarktrechts, mit einem mittlerweile weitgehend ausgebauten und gefestigten Grundrechtsschutz, Ansatze von nichtwirtschaftlichen Freiheiten in der Unionsburgerschaft, Freiheitsgewahrleistungen im Rahmen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie eine Reihe von distributiv ausgerichteten „Freiheitsgewahrleistungen“, wie sie etwa die Antidiskriminierungsregelungen positivieren. Die hierin zum Ausdruck kommende Entwick-lungsdynamik der europaischen Integration ist der ursprunglich wirtschaftlichen Freiheitsge-wahrleistung und ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs zu verdanken. Sie hat eine intergouvernemental organisierte Handelsorganisation in ein suprana-tionales Gemeinwesen verwandelt, das auf nahezu allen Politikbereichen prasent ist und dabei im Rahmen seiner Zustandigkeiten viele staatliche Funktionen wahrnimmt. Dabei unterliegt die EU zuweilen einem gewissen Hang zu freiheitseinschrankender Uberregulierung, der mit einer Kommission zum Abbau von Burokratie und einer Selbstbeschrankung der Europaischen Kommission unter ihrem Prasidenten Jean-Claude Juncker nur im Ansatz gegengesteuert wurde. Es ware vielmehr am EuGH, das Prinzip der Verhaltnismasigkeit strenger zu prufen und die Ermessensspielraume der Unionsorgane zu beschranken. Der erreichte Stand mit Blick auf die gegenwartigen integrationspolitischen Spannungsfelder wirft die Frage auf, welche Entwicklungspotentiale die unionale Freiheitsgemeinschaft heute noch hat. Hier muss die Einschatzung eher nachdenklich ausfallen. Es scheint vielmehr, als ob sich die Integrationsdynamik in dem Mase verringert, wie sich die Integration sachgebietlich verbreitert. Der Grund hierfur ist nicht, dass wirtschaftliche Freiheit heute weniger wichtig ist. Und nicht die Ursache, sondern vielmehr Symptom sind die gegenwartigen populistisch-nationalistischen Stromungen weltweit und in der Europaischen Union, deren eine Auspragung die Austrittskampagne in Grosbritannien reprasentiert. Es scheint eher, dass die Auf-triebskrafte des wirtschaftlichen Integrationsansatzes sachlich begrenzt sind. Lies sich die Entwicklung supranationaler Wirkungen des Unionsrechts noch unmittelbar aus dem allseits kon-sentierten Binnenmarktprinzip ableiten, musste schon die weitere Ausentwicklung der Grundfreiheiten und die Ausfaltung der Harmonisierung immer ofter an Grenzen stosen und wurde der Zusammenhang mit den Freiheiten immer dunner. Die Hinzufugung marktferner oder marktunabhangiger Politiken ohne die Schubwirkung durch gerichtlich durchsetzbare subjektive Rechte mundet in eine Politisierung der Union, die zugleich starker als fruher unterschied-liche Traditionen und Werte offenlegt. Dies zeigt sich etwa an den Zugangspolitiken oder der Sicherheitspolitik, aber auch an privatrechtlichen Materien wie dem unionalen Arbeitsrecht und sehr deutlich an Planen zu einer (Teil-)Vergemeinschaftung der Sozialsysteme. Es ist den Institutionen gleichwohl uber viele Jahre erfolgreich gelungen, den Ausbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts voranzutreiben, allerdings um den Preis erheblicher Differenzen insbesondere in der Asyl- und Fluchtlingspolitik. Auf einer anderen Ebene haben die Antidiskriminierungsrichtlinien mit erheblichen Auswirkungen in die nationalen Rechtsord-nungen hineingewirkt und manche traditionellen Gewohnheiten verandert. In der Hinaufzonung der Entscheidung uber z.T. tradierte Lebensverhaltnisse und Gewohnheiten liegt einer der Grunde, warum die Europaische Union heute als eher burgerfern verstanden wird und mancherorts an Zustimmung verliert. Dies bedeutet in keiner Weise, dass sich die unionale Freiheitsgemeinschaft uberlebt hat, im Gegenteil: Sie hat das Potential, die Union uber die verbindenden Wirkungen von Freiheitsge-wahrleistungen zusammenzuhalten und damit politischen Entwicklungen, mogen sie vielleicht auch behutsamer sein als fruher, eine sichere Grundlage zu geben. Dahinter steht schlieslich die Einsicht, dass gemeinsame Freiheit verbindet, ihre Beschrankung aber trennt.
欧盟作为一个自由的联盟
对北联盟自由关押能力的不同方面的研究显示欧洲联盟是一个至关重要的自由联盟在其经济非常Binnenrichtung与守,而且在很大程度上ausentwickelten Binnenmarktrechts的基础,如今广泛边建造和成熟Grundrechtsschutz Ansatze nichtwirtschaftlichen的自由在Unionsburgerschaft Freiheitsgewahrleistungen空间内自由、安全和法律以及一系列distributiv行政执法“Freiheitsgewahrleistungen”比如,你怎么才相信反歧视条例欧洲一体化所反映的发展动力来自欧洲法院的司法体系所产生的经济自由维权的原动力及其构成。它已经把一个按照政府机构的模式运作的贸易机构转变成一个福利机构,这个机构在几乎所有政策领域都是一个巨大的附和国。然而,欧盟有时也陷入了关于自由自治的监管的某种倾向,这一倾向在欧洲委员会强大的主席克劳德·容克的领导下只得到了来自欧盟委员会的部分报复。欧洲法院必须对缺乏严格的限制原则以及对欧盟各机构在自由方面的自由裁量权加以约束。鉴于当前欧洲一体化政策的过度紧张状态,准自由思想网现在还有什么发展潜力呢?这里的人大多令人深思。事实上,梅斯里的一体化动态似乎会减弱,区域一体化如何逐渐扩大。这并不是因为经济自由已经不那么重要了。这些并不是原因,而是自身的征兆是世界和欧洲欧盟的现在民粹主义民族主义流动的自身时势,它们的实施似乎经济融为一体的做法还受到了专业的限制。读的超国家的发展影响Unionsrechts还直接从棉花kon-sentierten Binnenmarktprinzip决策得进一步Ausentwicklung基本自由和stosen总是很ofter Ausfaltung统筹协调能力有限的自由有关的更为dunner .无论采用市场孤立性政策还是不受具有法律效力的主观权利的推动,都助长了欧盟政治化的色彩,而这一政治化在很大程度上揭示了不同的传统和价值观。这可以从各种进入政策或安全政策中,以及联邦劳动法等私营材料中得以体现,而且明确想要将福利国家共同化。尽管如此,这些机构多年来成功地推进了自由、安全和正义的空间,但这是基于巨大分歧,特别是在庇护和难民政策方面的分歧而付出的代价。在另一个层面上,反歧视条例对国家法律秩序有重大影响,并改变一些传统习惯。通过调节由英国人和英国人传统的民生活水平,欧盟的发展趋势就是一个原因:现在的欧盟成员由英国人而非英国人,在一定程度上失去了民心。,这意味着没有任何参加unionale Freiheitsgemeinschaft活,相反她uber有潜力,欧盟verbindenden影响Freiheitsge-wahrleistungen团结和政治事态发展,也许也祝婉转的fruher时提供一个安全基础.这样一种理念最终将会明了共同的自由结合在一起
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