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Abstract
Warum sollte sich Geschichtsdidaktik noch einmal neu mit etwas befassen, mit dem sie es unter dem Begriff »Sachquelle« eigentlich immer schon zu tun hatte? Ein Blick in auch schon ältere geschichtsdidaktische Literatur zeigt, dass die Frage danach, wie Sachquellen und Objekte für das historische Lernen fruchtbar gemacht werden können, keineswegs neu ist. Grundsätzlich wurde ihnen ein besonderes, in aller Regel positives Potential zugesprochen. Bereits 1977 etwa kam Kurt Fina auf Basis einer von ihm durchgeführten empirischen Untersuchung zu dem Schluss, dass die »anschauend-begreifende‹ Auseinandersetzung des Kindes mit dem historischen Gegenstand« häufig ein »Ort kreativen Schülerverhaltens« sei. Insbesondere steigere sie die Motivation, sich mit historischen Fragestellungen befassen zu wollen. An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts grundlegend geändert, wenn auch die Rahmenbedingungen dessen, was unter Objektbegegnung verstanden wird, andere sein mögen. Immer noch scheinen materielle Gegenstände geeignet zu sein, Interesse zu wecken, aber weniger, Sachwissen über die Vergangenheit aufzubauen. Ihnen wird lediglich eine »Hilfsfunktion« zur Anbahnung historischen Denkens eingeräumt, insofern als sie das Potential der Überraschung aufweisen würden. Bauliche Überreste und anderen Sachenquellen können zweifellos irritieren, wenn sie entsprechend ausgesucht und im Unterricht eingesetzt werden. So konnte Hanna Röttele feststellen, dass sich Schüler*innen auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Objekten einlassen, wenn sie befremden und nicht allein zwecks Illustration historischer Begebenheiten instrumentalisiert werden. Ein Objekt mag also nicht dann besonders interessant sein, wenn es leicht zu verstehen, sondern wenn es gewissermaßen unkonkret und uneindeutig ist und