{"title":"Digitale Ästhetik: Das Diskrete und das Kontinuierliche","authors":"Beatrice Fazi","doi":"10.1515/jbmp-2020-0012","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Ist die Ästhetik ein brauchbarer Modus, um digitales Rechnen (digital computation) zu untersuchen? Diese Frage ist so wichtig wie sie dringlich ist, denn sie zeigt eine Sackgasse, eine Blockade auf, die meiner Meinung nach zeitgenössische ästhetische Untersuchungen im Bereich der digitalen Medien behindert. Auf der einen Seite zeugt diese Sackgasse von der konsequenten Erweiterung der Denk-, Handlungsund Wahrnehmungsweisen, wie sie durch digitale Technologien allererst möglich wurden. Auf der anderen Seite spiegelt sie aber auch die weit verbreitete Meinung wider, dass solch genuin digitale Denk-, Handlungsund Wahrnehmungsweisen imperfekt oder minderwertig seien, wenn sie nicht durch einen biologischen Träger – ein menschlicher Referent, ein Körper oder schlicht das ›Leben‹ – validiert werden, der die Affekte und Empfindungen ausdrückt und katalysiert, die für die ästhetische Erfahrung als zentral gelten. Die Sackgasse in der digitalen Ästhetik, die ich hier betrachten will, betrifft somit die Schwierigkeit, diese die Wahrnehmung und das Verhältnis zum Objekt auszeichnenden Eigenschaften, die Gegenstand der ästhetischen Untersuchung sind und unser Erleben bestimmen, den informatischen und operativen Mechanismen des Computers oder digitalen Endgeräts zuzuweisen. In diesem Artikel schlage ich eine theoretische Position vor, welche diese Blockade zu überwinden sucht. Eine Ästhetik des Digitalen ist möglich, und Rechnen (computation) kann als Methode zur Systematisierung von Wirklichkeit durch Quantifizierung sowie als logischer Motor digitaler Technologien ästhetisch analysiert werden. Meine affirmative Antwort auf die Frage, ob Ästhetik ein brauchbarer Modus ist, um digitales Rechnen (digital computation) zu untersuchen, verlangt allerdings, Ästhetik über die traditionellen Grundsätze der Disziplin, über die Ideen der Schönheit, des Geschmacks oder des Urteilsvermögens, und auch über die gewohnte Beschäftigung mit Kunst (im Allgemeinen) bzw. mit Computerkunst (im Besonderen) hinauszutreiben. Die von mir vorgeschlagene ästhetische Untersuchung digitaler Medien beruht vielmehr auf einer ontologischen Erörterung digitalen Rechnens (ontological study of digital computation). Ich bin überzeugt, dass gerade eine solche Erörterung auch deswegen notwendig ist, weil die von mir oben genannte Sackgasse in der digitalen Ästhetik auch eine","PeriodicalId":340540,"journal":{"name":"Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie","volume":"599 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-12-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/jbmp-2020-0012","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Ist die Ästhetik ein brauchbarer Modus, um digitales Rechnen (digital computation) zu untersuchen? Diese Frage ist so wichtig wie sie dringlich ist, denn sie zeigt eine Sackgasse, eine Blockade auf, die meiner Meinung nach zeitgenössische ästhetische Untersuchungen im Bereich der digitalen Medien behindert. Auf der einen Seite zeugt diese Sackgasse von der konsequenten Erweiterung der Denk-, Handlungsund Wahrnehmungsweisen, wie sie durch digitale Technologien allererst möglich wurden. Auf der anderen Seite spiegelt sie aber auch die weit verbreitete Meinung wider, dass solch genuin digitale Denk-, Handlungsund Wahrnehmungsweisen imperfekt oder minderwertig seien, wenn sie nicht durch einen biologischen Träger – ein menschlicher Referent, ein Körper oder schlicht das ›Leben‹ – validiert werden, der die Affekte und Empfindungen ausdrückt und katalysiert, die für die ästhetische Erfahrung als zentral gelten. Die Sackgasse in der digitalen Ästhetik, die ich hier betrachten will, betrifft somit die Schwierigkeit, diese die Wahrnehmung und das Verhältnis zum Objekt auszeichnenden Eigenschaften, die Gegenstand der ästhetischen Untersuchung sind und unser Erleben bestimmen, den informatischen und operativen Mechanismen des Computers oder digitalen Endgeräts zuzuweisen. In diesem Artikel schlage ich eine theoretische Position vor, welche diese Blockade zu überwinden sucht. Eine Ästhetik des Digitalen ist möglich, und Rechnen (computation) kann als Methode zur Systematisierung von Wirklichkeit durch Quantifizierung sowie als logischer Motor digitaler Technologien ästhetisch analysiert werden. Meine affirmative Antwort auf die Frage, ob Ästhetik ein brauchbarer Modus ist, um digitales Rechnen (digital computation) zu untersuchen, verlangt allerdings, Ästhetik über die traditionellen Grundsätze der Disziplin, über die Ideen der Schönheit, des Geschmacks oder des Urteilsvermögens, und auch über die gewohnte Beschäftigung mit Kunst (im Allgemeinen) bzw. mit Computerkunst (im Besonderen) hinauszutreiben. Die von mir vorgeschlagene ästhetische Untersuchung digitaler Medien beruht vielmehr auf einer ontologischen Erörterung digitalen Rechnens (ontological study of digital computation). Ich bin überzeugt, dass gerade eine solche Erörterung auch deswegen notwendig ist, weil die von mir oben genannte Sackgasse in der digitalen Ästhetik auch eine