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Abstract
Winnicott hat einem Vorgang, den er »Integration« nannte, einen hohen Stellenwert für die Entstehung des »Selbst« des Kleinkindes gegeben. Es gibt eine Reihe von Analytikern, die der Meinung sind, der frühkindliche Mensch sei ein Bündel von nicht zusammenhängenden Wahrnehmungen (Bick, 2002; Winnicott, 1984, 1960). So seien die optischen, taktilen auditiven Sinnesempfindungen relativ unabhängig, und es bedürfe einer Fülle von Lernvorgängen, um diese Erfahrungen zu integrieren. Die Integration der Reize geschehe im wesentlichen durch die Affekte, und zwar nicht nur die eigenen, sondern auch die der frühen Bindungsund Liebespartner. Was die eigenen betrifft benutzt das Kind im expressiven System ab dem dritten Monat fünf, nämlich Angst, Ekel, Wut, Freude, Interesse. Angst und Wut allerdings nur unter traumatischen Bedingungen (Gaensbauer, 1982). Trauer und Verachtung treten später auf. Daneben gibt es den unspezifischen »Distress-Schrei«, den man, wie unten gezeigt wird, bei Panikattacken Erwachsener wiederfinden kann. Das heißt übrigens nicht , dass sie die Affekte auch innerlich so erleben. Wir gehen davon aus, dass, bevor es so etwas wie Objektund Selbstkonstanz gibt, kaum Überlappungen zwischen den verschiedenen affektiven Zuständen zu finden sind. Das Kind ist dann jedes Mal in einem anderen Funktionsmodus (Moser, 2016). Im Allgemeinen besteht ein Modus jeweils nur kurz, weil die Objekte entweder den Affekt sedieren oder die Dysregulation, die zu ihm geführt hat, behoben wird. Die verschiedenen Funktionsmodi behalten wir bis ins Erwachsenenleben bei, sodass beispielsweise eine Person während einer