Der Verfasser des kleinen Kodex Ghiberti

Dem Forscher, der außer dem Kunstwerk auch das Wesen des Kiinstlers zu erkennen sucht, wird willkommen sein, wenn er ein ausgiebiges Notizbuch eines Kiinstlers vorfindet, zwischen dessen Zeilen sich der ganze Interessenkreis seines Verfassers offenbart. Trägt ein solches Buch außerdem noch einen Namen von Bedeutung, wie den des Ghiberti, so wird die Forschung guttun, sich häufiger diesem Buche zuzuwenden. Der sogenannte kleine Kodex Ghiberti in der Biblioteca Nazionale zu Florenz (B. R. 5. 1. 13, früher Magliabech. Cl. XVII, 7 cod. 2) ist wohl als Taschenbuch angelegt worden, er ist nur 14 cm breit und 1972 cm hoch, allerdings ist er dann im Verlauf der Arbeit auf 219 Blatt angeschwollen.1 Als Notizbuch zeigt er vielerlei lose zusammengestellt, was den Geist seines Verfasser beschäftigte Skizzen, die sich dem Texte einfügen, sollen der Erinnerung als Stütze dienen. Auf der Stirnseite ist der Besitztitel angegeben, auf den wir noch zurückkommen. Es beginnen (Blatt 1 und 2) Goldarbeiterrezepte über Vergolden von Gegenständen. Darauf folgt eine zusammenhängende, reich durch Zeichnungen illustrierte Abhandlung über Architektur (Blatt 3 bis 46). Dazwischen befinden sich, unterschieden durch hellere Tinte und durch flüchtigere Handschrift, einige Notizen eingestreut wie (auf Blatt 26v) ,,la sepoltura di papa Sisto costo [costò] circha [circa] di ducati 5000, la sepoltura di Nocenzio [Innocenzio]“ usf. oder wie auf Blatt 27 ,,la ffiura [figura] del santo Lodovicho senza l’oro e senza il tabernacolo d’Orsanmichele, a Donatello per suo maestero e di chi a tenuto cho [con] lui fj. [fiorini] 449“. An die Abhandlung über Architektur, die, wie ich noch erweisen werde, mit Kürzungen dem Vitruv entnommen ist, schließen sich Erörterungen und