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Abstract
Die Wohlfahrtsverbände repräsentieren mit ihrer sozialethischen, multikulturellen und auf gleicher Freiheit ausgerichteten Werteorientierung das Gegenteil von dem, was rechtspopulistische Politik kennzeichnet. So sind sie nicht zuletzt deshalb auch Zielscheibe rechtspopulistischer Angriffe und Interventionen. Dieser Beitrag fragt danach, in welchen Konstellationen und in welchem Ausmaß Wohlfahrtsverbände und ihre Einrichtungen mit ihren Positionen und ihrer Arbeit zur Zielscheibe rechtspopulistischer sowie rechtsextremer Interventionen werden und welche Konsequenzen sie daraus für ihre Arbeit und den Umgang mit diesen Angriffen ziehen. Damit verwoben ist die Frage, ob es sich bei den Interventionen um situativ geprägte Einzelfälle handelt oder ob sich darin auch strukturbildende Muster erkennen lassen, die über den konkreten Fall hinausweisen. In diesem Sinne zielt dieser Text auf eine systematische Einordnung von rechtspopulistischen Interventionen und wohlfahrtsverbandlichen Gegenreaktionen. Die deutschen Wohlfahrtsverbände sind durch die korporatistische Tradition und Praxis des deutschen Wohlfahrtsstaates eng mit den sozialstaatlichen Aktivitäten verwoben (Schroeder 2017: 27 f.). Bereits im Kaiserreich akzeptierte der Staat, dass eine politisch kulturell segmentierte Gesellschaft weniger ‚zwangsvereint‘ werden sollte, sondern besser durch die Anerkennung milieuspezifischer Vergemeinschaftungsorganisationen zu steuern ist. Wir haben es also mit einer aus politisch-kulturellen Konflikten resultierenden Gewaltenteilung zu tun, die zur Quasiautonomie von sozial-moralischen Selbsthilfemilieus und -aktivitäten führte. Konkret bedeutete dies, dass neben dem Staat viele Bereiche der täglichen lebensbegleitenden Unterstützung von der „Wiege bis zur Bahre“ in etablierten nichtstaatlichen Deutungskontexten angeboten werden. Dieses auf dem Subsidiaritätsprinzip aufbauende Strukturmuster, welches bereits im Jahre 1924/1926 kodifiziert wurde (Neumann 1989: 3) schließt staatliche Direktinterventionen in den Bereich der Freien Wohlfahrtspflege aus und garantiert damit eine plurale Wohlfahrtsverbändelandschaft im Kontext eines koordinationsfähigen Gewährleistungsstaates. Abgesichert wurde die-